Die Behauptung, daß jedes Kunstwerk einen Inhalt habe, ist so wahr wie banal. Viel interessanter ist die Frage, was denn genau diesen Inhalt ausmache. Abgesehen davon, daß sich der Inhalt in der Kunst nie als solcher zeigt, sondern notwendig in einer Form, und daß die Form, das Wie der Mitteilung, selbst zur Mitteilung wird, läßt sich, sofern man Inhalt als Begriff in der Abstraktion festhalten will, Weltanschauung und Haltung voneinander unterscheiden. Das darstellende Kunstwerk (Epos, Roman, Film, Theaterstück, Musical, Oper usf.) macht einerseits durch Diktion Aussagen, vermittelt also ausdrücklich Ideen, andererseits aber teilt es durch die Handlungsstruktur selbst gleichfalls etwas mit. Man kann lange und ergiebig darüber streiten, welche der beiden Mitteilungen die wichtigere ist: die durch Rede vermittelte Weltanschauung oder die durch Handlung vermittelten Haltungen.
Ich will diese Frage nicht entscheiden, meine aber, daß zumindest bezogen auf den Erfolg die Handlung wichtiger ist als die Rede. Das Publikum ist eher bereit, einem gutgemachten Werk eine schreckliche Ideologie zu vergeben als einen gutgesinnten Dichter eine schlechte Darstellung. So wird, wo Wirkung und Erfolg gegeneinander arbeiten, ein gutgemachtes Kunstwerk immer die eigene Wirkung übertönen, da der Konsument bereit ist, den weltanschaulichen Gehalt des Werks auszublenden, sofern die Handlung ihm als hinreichend authentisch und anregend präsentiert ist. Homer ist nicht deswegen erfolgreicher als Hesiod, weil die aristokratische Ideologie der kriegführenden Heroen beliebter ist als die Ideologie des Friedens. Im Gegenteil, ginge es nach der Weltanschauung, müßte sich gerade Hesiods Pazifismus – zumal angereichert mit Romantik, Misogynie, Fortschrittsfeindlichkeit und anderen attraktiven Angeboten an die Krämerseelen aller Zeiten – heute äußerster Beliebtheit erfreuen, während Homer als Ideologe des Imperialismus in der Ecke stünde. Homer aber ist deswegen erfolgreicher, weil er bessere Handlungen ausfertigt. Und er wäre ebenso erfolgreich gewesen, hätte er den Krieg mit pazifistischen Absichten beschrieben.
Es gibt sicher auch Grenzfälle. Wenn eine Idee z.B. neu ist, erhält sie oft höheren Kredit. »Moneyball« und »Trouble with the Curve« etwa nehmen sich, bei allen Unterschieden auch in der Umsetzung, wenig. Zwei hervorragend gemachte Filme über dasselbe Thema mit vollkommen gegensätzlichen Standpunkten. Wenn »Moneyball« überzeugender ist als »Trouble with the Curve«, dann liegt das daran, daß es diesem Film gelungen ist, eine an sich kunstfeindliche Idee kunstfähig zu machen. Das Scouting beim Baseball analytisch zu betreiben, das Spiel in seine Elemente aufzulösen, das gesamte Verfahren am Spieler vorbeizuführen, ihn zu verschieben, wie immer es frommt, mag im Sportlichen für Erfolg gesorgt haben, doch es sieht vom Menschen ab und ist daher, wie Atombomben und Einkaufslisten, ein fremdes Element in der Ästhetik. Handlungen lassen sich einmal nicht mit Gegenständen, sondern nur mit Menschen erzählen. »Moneyball« schafft es dennoch und siegt, wo »Trouble with the Curve« es mit seinem unitarischen Ansatz des Scoutings ganz leicht hat. Diesen Unterschied der Herausforderung spürt man. Daher bleibt von »Moneyball« mehr hängen, während »Trouble with the Curve« ein gut gemachter Film ist, der sich leicht vergessen läßt.
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