Mai 032014
 

»Captain America«, der Posse zweiter Teil, hat gekonnt alle Erwartungen untertroffen. Nicht, daß die hoch waren. Niemand hatte geglaubt, etwas vom Kaliber der »Watchmen« oder »The Dark Knight« zu sehen. Aber selbst an ihren eigenen Maßstäben gemessen ist diese Fortsetzung schwach. Der erste Teil des CA teilte kaum mehr mit als das Weltbild der Boy Scouts, die ängstliche Katzen von Bäumen holen, Nachbarn beim Reparieren des Dachs helfen und im schlimmsten Fall mal zu tief ins Rootbeerglas schauen. Der junge Steve Rogers ist körperlich schwach, aber von einer unerschütterlichen Geradlinigkeit, einem Eifer und Patriotismus erfüllt. Er war damit eine Art positives Gegenbild für das gegenwärtige Amerika, bei dem es sich genau umgekehrt verhält: Die Hardware funktioniert bestens, ist aber begleitet von einer tiefen Verunsicherung und dem allmählichen Begreifen, daß auch die eigene Ideologie (und nicht nur die der Gegner) einen doppelten Boden hat. Rogers steht für eine Zeit, in der die Guten einfach noch die Guten waren.

Die Verfehlung der Fortsetzung besteht darin, sich als Seismograph der Gegenwart versucht zu haben, ohne das ungebrochene Verhältnis zu sich selbst aufzugeben. Vermittelt wird die bekannte Ideologie, die das Bedürfnis nach Sicherheit gegen das Bedürfnis nach Freiheit ausspielt. Das ist soweit ganz schwach, aber immerhin wäre es noch etwas, das in seiner Begrenztheit kunstfähig ist. Doch der Film greift höher. Er liefert eine Erklärung der Weltgeschichte. Nachdem die Hydra, die Geheimorganisation der Nazis, zerstört worden war, infiltrierte sie den amerikanischen Geheimdienst Shield und sorgte im laufenden 20. Jahrhundert für so ziemlich jede Katastrophe, die passiert ist. Die Katastrophen sollten in der Welt so viel Angst sähen, daß die Menschen dereinst bereit sein würden, ihr Streben nach Freiheit zugunsten einer Ordnung aufzugeben, die ihnen anhaltende Sicherheit garantiert. Dadurch daß Hydra durch Shield agiert, wird so etwas wie eine geschichtliche Dialektik angedeutet, nach der ein Mittel zur Durchsetzung eines Ziels durch sein eigenes Wirken diesem Ziel im Weg stehen kann. Aber diese Dialektik wird unterlaufen durch die Konstruktion einer Verschwörung. Ohne Infiltration, so die Botschaft, keine Katastrophen. Es ist also nicht die gesellschaftliche Struktur, nicht die Dynamik konkurrierender oder sich ausschließender Kräfte, die Katastrophen hervorbringt, sondern eine Gruppe dazu entschlossener Akteure, und selbstredend derjenigen der Gegenseite. Die Freiheit der kapitalistischen Gesellschaft selbst ist nicht widersprüchlich, sie ist nur gut, durch und durch, und es wäre da kein Problem, gäbe es nicht ihre Feinde.

Der Vorteil des ersten Teils besteht darin, daß er nichts will. Wo kein Wille ist, ist wenigstens keine Enttäuschung.

Sorry, the comment form is closed at this time.