Es gibt eine Sache an Merkel, die dann doch zu loben wäre. In ihrer Position kann sie nichts anderes sein als eine Charaktermaske, die die Logik der kapitalistischen Gesellschaft bei Strafe des eignen Untergangs exekutieren muss, und so wie sich das Wertgesetz überhaupt erst durch die Abweichung des Preises vom Wert durchsetzen kann, ist die individuelle Aktion im Regieren bloß die Gelegenheit zur Korrektur durch die unerbittliche Logik des Kapitals. Merkel oszilliert sozusagen um diese Logik.
Aber ihre Besonderheit liegt darin, dass sie gar keinen Charakter hat. Sie ist eine Charaktermaske ohne Charakter und lässt damit unübersehbar werden, dass die Idee eines persönlichen Spielraums im Regieren eine Illusion ist. Ihre aufdringliche Erscheinung könnte zum Anlass werden, dieses Wissen nicht bloß theoretisch zu haben, sondern in konkretes Handeln zu übersetzen. Die volkstümliche Reaktion hierauf ist aber nicht das, sondern die Flucht in den charismatischen Politiker. Tatsächlich ist Trump ein Gegenentwurf und sein Übermaß an Charakter besonders geeignet, die Illusion einer handelnden Persönlichkeit im bürgerlichen Kontinuum wieder herzustellen. Er lenkt durch seinen nie versiegenden Schwachsinn vom Systemcharakter noch dieser Absonderlichkeiten ab.
Die zweite Ableitung dieses gedanklichen Elends wäre dann, auf Trump und all die anderen Charismaten zu reagieren, indem man auf Merkel zurückfällt und von ihr nun verlangt, etwas mehr Charakter zu zeigen. Weite Teile der sogenannten Linken, selbsterklärte Kommunisten gar, scheinen kaum eine andere Sorge zu haben. Als ob das irgend Hilfe gewährte. Da es nur scheußliche Prinzipien sein könnten, ist es wohl nicht das schlechteste, dass Merkel erst gar keine hat.
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