Jan 132019
 

Einrichtungen haben Richtungen. Bestimmte Funktionen. Sie lösen nie alles, ganz abgesehen davon, dass im Gesellschaftlichen keine Lösungen möglich sind, die nicht ihrerseits wieder Probleme zeugen. Es kann nicht darum gehen, Zustände zu schaffen, die jegliche Probleme tilgen; es kann solche Zustände nicht geben. Vielmehr wären die oft geschmähten First World Problems zum allgemeinen und einzigen Status zu machen. Niemand muss hungern, niemand ein entrechtetes, unterdrücktes Wesen sein, das gezwungen ist, für sein bisschen Auskommen den Rücken zu beugen und das Denken eines Anderen in sich aufzunehmen, sich geistig und materiell zu unterwerfen (statt einfach zu arbeiten).

Aber unerwiderte Liebe, Heranwachsen, Sinnsuche, der ewige Kampf gegen die Langweile, geschlechtliche Identität, die Angst vor dem Tod, das Bedürfnis, sich selbst zu überschreiten, die Vermittlung von Ideal und Wirklichkeit, der Umgang der Gesellschaft mit ihren Genies – diese und ähnliche Probleme wird & darf & soll es immer geben. Die Welt so zu ändern, dass der Gesamtbestand der vorhandenen Probleme sich einfach deckt mit der Menge der Probleme, die sich unmittelbar aus dem Menschlichen ergeben, das ist das Ziel und der Grenzwert unserer politischen Bemühung – also ein nicht erreichbares Ziel, dem möglichst nahzukommen ist.

Hierzu bedarf es der Antastung von Produktionsverhältnissen als Voraussetzung, oder präziser: der Gesittung insgesamt. Wir züchten keine Menschen, wir züchten Gesellschaften. Für die Differenz lösbarer und nichtlösbarer Probleme – solcher, die im Gesellschaftlichen, und solcher, die im Menschlichen liegen – gilt, was Joseph Roth (idiotischerweise ausgerechnet gegen den Anspruch einer politischen Umwälzung) ins Feld geführt hat:

»… daß es außer dem materiellen Wohlergehen auch ein anderes gibt und daß man satt sein kann und sehr unzufrieden. Man kann essen und sein Brot verfluchen, den schönsten Frühling genießen und sich nach dem Winter sehnen, in Fülle leben und den Tod wünschen. Alles haben und Nichts wollen. Diese unstillbare Sehnsucht des Menschen ist eine natürliche, nicht die Folge kapitalistischer Weltordnung; aus der ›Spannung‹ zwischen Können und Ohnmacht, zwischen Haben und Sehnen, zwischen Erfüllung und Verlangen, zwischen Ernten und Säen entsteht die höhere geistige Kultur, die mittelbar, aber unbedingt auch praktisch nützlich ist, entsteht das Kunstwerk, das, wie man sagt, den Menschen ›erhebt‹«.

Was Kunst einmal sein kann, gleicht dem, was sie heute lediglich sein will. Was gar nicht gegen die Kunst und sehr gegen das Heute spricht.

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