Aug 142020
 

Das Glatteis ist ihr einziger Triumph. Zum xten neuesten Satirestreit

Cancel Culture ist schon jetzt das Klemmwort des Jahres. Verwendet von Leuten, die eigentlich Zensur meinen, aber gerade noch erinnern, was das Wort bedeutet: dass ein Staat seine Macht nutzt, einen Künstler nicht vorkommen zu lassen. Lisa Eckhart, leider, kommt vor und kann sich äußern. Nur nicht überall. Eben das stört sie und ihresgleichen. Sie werden nicht zu jeder Party eingeladen. Dürfen nicht in jeder Zeitung schreiben. Nicht jeden Satz sagen, ohne dann doch mal die Wut zu ernten, die sie brauchen.

Denn die Ausladungen und Shitstorms sind Teil des Geschäfts. Künstler, die der Kraft ihrer Kunst misstrauen, benötigen die Provokation. Das galt von Beuys, von Biermann, von Nuhr, und es gilt heute von Lisa Eckhart. Ihr Treiben erschöpft sich darin, Zuhörer aufs Glatteis zu führen. Weder was sie sagt, noch wie sie es sagt, scheint irgend von Belang. Und – etwas heikel in ihrem Beruf – sie ist nicht witzig. So bleibt das Glatteis ihr einziger Triumph. Eckhart bringt unbedarfte Zuhörer in eine Lage, in der sie sich selbst befindet. Sie lacht, wenn die Leute hinfallen. Sie selbst liegt da längst.

Man muss ihr ja nicht aufs Eis folgen. Als ihre Kritiker nach einer boshaften Suada zum Fall Weinstein ihren Antisemitismus entdeckt zu haben meinten, war das so eine Sache. Offenkundig lag Eckharts Absicht darin, Antisemitismus aufzuspießen, den vermeintlichen Judenhass der Weinstein-Gegner vorzuführen. Das ist dumm, aber gerade kein Fall von Antisemitismus. Man fiel auf sie herein, denn der Trick der Weinstein-Freunde war von Anbeginn, die Verfolgung eines Vergewaltigers und Belästigers in die Verfolgung eines Juden umzudeuten. Aus einem Polanski einen Dreyfus zu machen. Aus dem Täter Weinstein ein Opfer, aus seinen Opfern folglich Täter.

Es geht um Frauen, die Widerstand leisten gegen sexuelle Gewalt und Unterdrückung. Lisa Eckhart ist eine Frau. Eine, die sich dem sackdummen Hass auf die Weiber andient. Und es gehört zur Logik des Betriebs, dass man die besondere Form der Unterwerfung in der Pose des Einzelkämpfers vollziehen muss.

Ich schaue ihre Bühnennummern, und mir fällt auf, was mich vor allem abstößt. Es ist nicht das gestochen sein sollende Gerede, nicht die langweilige Geste der Provokateurin, nicht die Durchschnittlichkeit der Gedanken, nicht mal ihre unerwiderte Liebe zum Humor. Es ist der feiste Hass, der ihr aus den Augen tritt, die Verachtung ihres Publikums, jedes Kritikers, mithin jedes Menschen, der nicht begriffen hat, was sie, der Offenbarung teilhaftig, begriffen hat. Sie spielt nicht, kritisiert nicht, verlacht nicht, sie hat eine Agenda.

In dieser Hinsicht geht sie weiter als Meister Nuhr, die Masche aber scheint dieselbe: eine ausgeprägte Neigung zur politischen Rechten verbunden mit Scham darüber. Weil diese Neigung nicht offen gelebt werden kann, dient Kritik als Schleier, das ideologische Programm zu verdecken. Hieraus wieder entsteht die enervierende Selbsterzählung intellektueller Überlegenheit. Denn die Differenz, die eine politische ist, aber nicht sein darf – man übt ja bloß Kritik –, muss sich als Differenz der Vernunft zur Unvernunft ausgeben. Man kann darauf hereinfallen, dem Künstler moralisch begegnen und damit nur das Klischee bedienen, dass Empörung für die Dummen und Provokation für die Schlauen ist. Oder man lädt den Künstler einfach nicht mehr ein.

Jede Absage ist ein freundlicher Versuch, Lisa Eckhart dabei zu helfen, einen Beruf zu finden, in dem sie nicht überfordert ist und vielleicht glücklich werden kann. Die Kuh indes muss selbst vom Eis wollen. Will sie es nicht, steht ihr eine ruhmreiche Karriere von Auftritten bei Burschenschaftlern, AfD-Parteitagen und subversiven Channels wie Bild-TV bevor.

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in: junge Welt v. 14. August 2020.

 

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