Aug. 312019
 

»Frau Stern«

Ahuva Sommerfeld, 1937 in Jerusalem geboren, hat drei Leben gelebt: eines in Israel, eines in Ostafrika und eins in Deutschland. Mit Frau Stern in »Frau Stern« spielte sie die erste Filmrolle ihres Lebens. Da war sie 81 Jahre alt; kurz nach dem Ende der Dreharbeiten starb sie. Der Film handelt übrigens von einer alten Frau, die den Endpunkt ihres Lebens selbst bestimmen möchte. Continue reading »

Aug. 302019
 

»Playmobil – Der Film«

Es ist ja nicht so, dass man keine Wahl hatte. Einfach weiter Spielzeug verkaufen etwa. Aber es musste ein Film sein, nachdem der große Konkurrent die seinen hatte, und tatsächlich verhalten sich »The LEGO Movie« (I & II) und »Playmobil: The Movie« wie die Spielkonzepte selbst: Konstruktion, Kreativität, Intelligenz auf der einen – Module, Invariabilität, Trägheit auf der anderen Seite. Das spricht noch nicht gegen die Sache, auch überschaubare Seelen haben ein Recht auf Zeitvertreib. Für alle andern gilt: Lego ist, was man behält, Playmobil landet bald auf dem Flohmarkt. Der Konzern hat diesen Umstand, immer bloß der Schattenriss eines interessanteren Alphabilds zu sein, ähnlich bewältigt wie Pepsi bei Coca, die Stones bei den Beatles oder Heiner Müller bei Peter Hacks: einen Konkurrenzkampf führen, indem man ihn nicht führt, sich gleich als Economy-Version inszenieren, wissend, dass »der Andere« zu sein immer noch genügend Anteile am Markt sichert. Continue reading »

Aug. 292019
 

»Toy Story 4«

Gute Fortsetzungen sind schon deswegen selten, weil bei den meisten Filmreihen bereits der erste Teil missraten war. Auf Schlechtes folgt praktisch nie Gutes, auf Gutes ziemlich oft schlechtes. Gute Filme mit guten Fortsetzungen sind folglich selten, und die Gleichung ist exponentiell. Gute dritte Teile, die mit ihren zwei vorausgegangenen mithalten können, sind so rar, dass man sie unter Artenschutz stellen möchte, was insofern passt, als in »Arten« dem Klang nach das englische »art« enthalten ist. Es wäre also von Art-Schutz zu reden – und ein Gesetz zu erlassen, das untersagt, drei gute Filme vermittels eines vierten zu bestatten. Die Totenfeier von »Men in Black« hat gerade begonnen, die von »Indiana Jones« dauert noch an. Continue reading »

Aug. 272019
 

»Paranza – Der Clan der Kinder«

Dieser Film hat gleich mehrfach schwer Erbe tragen. Roberto Saviano, Autor der Vorlage »La paranza dei bambini« (2016) und Co-Autor des Drehbuchs, hatte 2006 mit »Gomorrha« eine Publikation hingelegt, die derart ins Herz Süditaliens traf, dass er seither unter Schutz vor diversen Mafia-Clans leben muss. 2008 wurde »Gomorrha« vom großen Matteo Garrone zum Spielfilm verarbeitet. Mit der politischen Verwicklung, der erzählerischen Wucht und Breite wie auch der inszenatorischen Meisterschaft des Vorgängers kann »Paranza« gewiss nicht Schritt halten. Der Film bleibt in vieler Hinsicht bescheiden, vermag aber genau darin seine Momente zu stiften. Continue reading »

Aug. 232019
 

»I Am Mother«

Die Eisenarme des Roboters wiegen ein menschliches Baby. Es weint, hustet, schläft ein. Der Roboter erwacht, als es wieder schreit; er stillt es mit der Flasche, singt ihm vor. Das Kind spielt mit einem Mobile, lacht, tut die ersten Schritte, liest sein erstes Buch. »Mutter« kümmert sich, und in der Tat entsteht was wie Wärme zwischen dem kalten und dem warmen Wesen, während der Film in diesen ersten Minuten von Cut zu Cut große Sprünge in der Zeit macht, bis wir ein pubertierendes Mädchen mit seiner elektrischen Mutter sehen. Die Frage, die sich Regisseur Grant Sputore am Anfang gestellt haben will, lautet: »Wie wäre es, von einer Maschine aufgezogen zu werden?« Dass das Script am Ende eine Gestalt erhielt, die diese Frage grundlegend veränderte, ist eine der Stärken des Films. Continue reading »

Aug. 152019
 

»Once Upon a Time in Hollywood«

Wahrscheinlich begann alles mit dem Hakenkreuz auf der Stirn. Als Tarantino 2009 dem SS-Offizier Hans Landa das Zeichen gravieren ließ, damit der für immer als Nazi kenntlich bleibe, muss er an Charles Manson gedacht haben, der es sich in der Haftzeit aus freien Stücken in die Stirn geritzt hatte. Von da war es bloß noch eine tragende Idee weit zum Vorhaben, einen Film über Manson zu machen. Nunja, und die Kleinigkeit, über den eigenen Schatten zu springen. Tarantino hat die verhängnisvolle Stärke, was immer er anpackt, konsumierbar werden zu lassen. Es gibt Stoffe, da verbietet sich das; handwerklich Makelloses wie »Inglourious Basterds« geriet zum kollossalen Fehlgriff. Beim Manson-Stoff drohte Ähnliches. Es spricht für den Autor, gespürt zu haben, dass bei seiner Art, Filme zu machen, das Monster besser dosiert auf die Leinwand sollte. So erklärt sich der breite Raum einer anderen Fabel im Film, zu der die Geschichte um die Manson-Family lange wie eine lose Ergänzung wirkt. Continue reading »

Aug. 082019
 

»Fishermanʼs Friends«

Dass all das tatsächlich passiert ist, macht die Story nicht besser. Weder als Geschichte noch als Gefäß für Gedanken. Sie ist nicht wahr, bloß real, und da nichts von Belang befördert wird, hätte sie wenigstens gut erzählt sein können. Man versteht einiges, wenn man erinnert, dass die Autoren Nick Moorcroft und Meg Leonard bereits das Drehbuch zu »Tanz ins Leben« (2017) verfasst haben, worin Harm- und Belanglosigkeit ineinandergreifen und es ebenso wie hier darum geht, sich auf die wahren Werte des Lebens zu besinnen, die nicht in Reichtum oder Reputation liegen können. Wenn »Fishermanʼs Friends« etwas besser geraten ist, liegt das vor allem am bespielten Milieu und der unkompliziert-schönen Musik. Wer Shanty nicht kennt, hat das Leben verpennt. Allein, das reicht nicht hin für einen Film von fast 2 Stunden.

Aug. 012019
 

»Love after Love«

Der Titel des Films zitiert den Titel eines der schönsten Gedichte des 20. Jahrhunderts: »Love After Love« von Derek Walcott, das von der Beziehung spricht, die ein Mensch zu sich selbst hat. Davon, dass man irgendwann lerne, sich als Freund zu behandeln, dass der Blick in den Spiegel Betrachter und Betrachteten eins werden lasse, dass beide folglich das eigene Glück im Glück des Anderen finden. Man werde den Fremden wieder lieben lernen, der man selbst einmal war, der einen immer liebte und den man missachtet hat für einen anderen. Für den, meint das, der man hat werden wollen und der man nun, vielleicht, mehr oder weniger geworden ist. Eben deswegen, weil man heute als ein anderer in der Welt steht, kann man sich wieder lieben. Denn man ist immer schon beides, Eigenschaft und Wille, Wirklichkeit und Selbstbild. Im Alter wächst die Möglichkeit, sich mit sich selbst zu versöhnen, ohne Unsicherheit und das Gefühl drohenden Rückfalls auf sein jüngeres Ich zu blicken. Das Gedicht schließt mit dem Rat, den persönlichen Krempel von den Bücherregalen zu entfernen. Wer, will das wohl sagen, das Eigene in Ordnung bringt, braucht nicht mehr die Welt damit zu belasten, hat folglich erstmals die Chance, sie zu sehen als das, was sie ist.