Jun 082010
 

Es ist an der Zeit, daß das Journal für die elegante Welt, das sich den höheren Sphären verschrieben hat, sich auch einmal mit der wichtigsten Hauptsache der Welt befaßt: mit dem Fußball. Das Fußballspiel verhält sich wie das Absolute bei Hegel; es ist eine höchst erfreuliche Sache und will erkannt sein. Die Sprache wurde den Menschen gegeben, um sich über Fußball zu verständigen. In diesem Spiel wirkt und webt alles fort, was wir schön, gut und wahr nennen. Das Nachdenken über Fußball macht uns zu besseren und weiseren Menschen. Wer den Fußball liebt, kann – Clemens Tönnies einmal ausgenommen – kein schlechter Mensch sein.

Soweit die Hymne. Im vollen Ernst der Überlegung indes taucht die durchaus der Verfolgung werte Frage auf, wie das Fußballspiel gesellschaftlich zu verorten ist. Der Begriff des Sportes ist zwar zutreffend, aber kaum hinreichend. Er erklärt, warum Leute sich körperlich betätigen; er erklärt nicht, warum Leute anderen Leute bei körperlichen Betätigungen zusehen. Der Kontext, in dem solche Schau passiert, zeigt, daß es nicht die bloße Betätigung ist, die fasziniert. Interesse an einem Sport tritt ausschließlich im Zusammenhang mit Wettkämpfen auf. Und das führt auf den Begriff des Agon, der so alt wie die Gesellschaft selbst ist. Der Agon ist ein Element, von dem die gesamte griechische Antike durchdrungen ist. Es sind nicht allein die sportlichen Betätigungen von Olympia, die ja als Paradeigma unserer heutigen Olympischen Spiele hergehalten haben. Die griechische Sprache bereits arbeitet in ihrem regulären Partikel-Gebrauch (men … de … de …) viel stärker mit Entgegensetzungen, opponierenden Perioden, als die Syntax jeder anderen indogermanischen Sprache. Der alte Grieche reiht seine Gedanken wie ein Kampfrichter, der nacheinander die Kontrahenten in die Arena ruft. Welche Eigenart sich natürlich auch in der Rhetorik zeigt, die, begünstigt von politischen und juristischen Umständen (Ekklesia und Dikasterion), jeder Grieche der höheren Gesellschaft zu erlernen hatte und deren Ausübung den Alltag in einem Grad bestimmte, wie es heute kaum noch vorstellbar ist. Oder eben doch vorstellbar. Die Rhetorik, könnte man sagen, hatte in der Antike einen Stellenwert wie in der Jetztzeit der Fußball. Auch sie fand als Wettkampf statt; die Redner lernten, in der Rede die schwächere Sache zur stärkeren zu machen. Der Agon durchdringt die griechische Gesellschaft schließlich so sehr, daß selbst die Ausübung und Herstellung der Kunst im Zusammenhang von Wettkämpfen vonstatten geht. Der berühmte Certamen Homeri et Hesiodi ist vermutlich ohne historisches Vorbild und eine Imitatio des Agons zwischen Aischylos und Euripides in den Aristophanischen Batrachoi, aber zumindest die sind ganz dem Zeitgeist entnommen: Das gesamte attische Theater pflegte in Form des Wettkampfs ausgetragen zu werden. Und damit also bin ich dort, wohin ich gelangen wollte. Die Kunst kann ohne den Wettkampf und der Wettkampf kann ohne die Kunst bestehen, aber jene eigentümliche Vermischung im griechischen Theater zeigt, daß beides einander nicht ausschließt, und der nachhaltige Erfolg der griechischen Kunst legt gar den Verdacht nahe, daß Wettkampf der Kunst förderlich sein kann. Kann auch die Kunst dem Wettkampf förderlich sein? Wieviel Kunst steckt im Fußball, oder anders gesagt: Besteht die Fasziniation am Fußball wirklich allein darin, daß er als Agon ausgetragen wird? Es muß ja doch einen Grund geben, aus dem der Fußball und nicht etwa Gewichtheben oder Tiefsee-Schach jene gigantische Begeisterung in der weiten Welt hervorruft.

Ich wage die Überlegung, daß Fußball zu jener merkwürdigen Gattung der sinnlosen Künste gehört, zu denen auch die Kochkunst und die Architektur zählen. Sinnlos sind sie nicht, weil sie keine Ideen enthielten. Jedes Kunstwerk drückt Haltungen aus, so auch die Architektur, die Kochkunst und eben – wir werden darüber zu sprechen haben – das Fußballspiel. Sinnlos sind sie, weil die Ausübung dieser Tätigkeit aus anderen Zwecken erfolgt als aus ästhetischen. Das Ästhetische nimmt man in ihnen so mit, es ist nicht notwendig. Ein Haus steht auch ohne schmuckvolle Fassade, ein Mahl sättigt auch ungewürzt, und ein Fußballspiel läßt sich auch ohne Kunststücke am Ball erledigen. Ein Zidane bewegt sich auf dem Fußballfeld wie Rudolf Nurejew auf den Brettern von Wien; man sieht beides gern. Aber Zidanes Bewegungen verfolgen nicht den hauptsächlichen Zweck, das Auge zu erfreuen. Sie dienen einem Spiel, das darauf abzielt, das Runde einmal öfter ins Eckige befördert zu haben als der Gegner. Was der Ballkünstler Zidane darüber hinaus veranstaltet, ist streng genommen Tinnef.

Von den drei im Kunstwerk bis zur Untrennbarkeit miteinander verwobenen Funktionen der Kunst besitzt der Fußball wenigstens zwei. Ein Kunstwerk bildet die Welt auf eine subjektiv verzerrte Weise ab, in der die Haltung des Künstlers zur Welt zum Ausdruck kommt, und es bildet sie so ab, daß es gefällt. Es ist also erstens ein Spiegel der Welt, zweitens Ausdruck einer Haltung zur Welt, und drittens erfreut es durch Schönheit und Attraktion. Dem Fußball fehlt allein die erste Funktion, die Abbildung; er bedeutet sich selbst und sonst nichts. Wir erfahren im Angesicht eines Fußballspiels nichts über die Welt, ihre Geschichte oder unsere Gegenwart. Wenn Macbeth auf der Bühne von seiner Machtlust zum Mord getrieben wird, bewegt er sich in einem Setting, dessen Spiel uns zugleich über die Verhältnisse der Zeit des Stoffes (das schottische Hochmittelalter) und der des Autors (den Tudor-Absolutismus) Auskunft gibt. Wenn Rubens die drei Grazien malt, bildet er eine mythologische Vergangenheit ab, die auf ihre Weise ebenfalls historische Wirklichkeit bezeichnet. Diese Abbildung fehlt im Fußball, wie sie auch in der Kochkunst oder in der Architektur fehlt. Läßt sich hieraus ableiten, der Fußball sei keine Kunst? Schwerlich. Man denke daran, daß auch die Musik eine Kunst ist, in der die Abbildung der Welt nicht nur nicht stattfindet, sondern ganz unmöglich ist. Und auch sie erzeugt Schönheit, rein klanglich und somit ganz innerliche. Das Fußballspiel erzeugt anschauliche Schönheit. Die Weise, in der ein Spieler einen Freistoß tritt, sich im Dribbling gegen eine Überzahl durchsetzt, zum Kopfball hochsteigt, den vertikalen Paß spielt, die Flanke setzt oder per Distanz- oder Volleyschuß den Abschluß sucht, erfreut das Auge, das – warum auch immer – gern runde Gegenstände auf ungewöhnliche Weise sich bewegen sieht.

Fußball läßt sich wie alle Tätigkeiten auf verschiedene Weise ausüben. Die Weise, in der ein Trainer seine Mannschaft spielen läßt, drückt menschliche Haltung aus. Er tut hier nichts anderes als der Künster, wenn er sein Kunstwerk herstellt. Es gibt, aufs Allgemeine gebracht, vier Spielweisen. Zusammen bilden sie eine Art System des natürlichen Spielens, und ich stelle die Behauptung auf, daß es keine Mannschaft auf der Welt gibt, die, sofern sie eine bestimmte Spielweise hat, nicht einer dieser vier Spielweisen sich zuordnen ließe. Ich will diese vier Spielweisen im folgenden vorstellen und auf die Haltungen zu sprechen kommen, die in ihnen zum Ausdruck gebracht sind. Zur Subjektivität meines Verfahrens gehört es, nebenbei, daß es von seiner Subjektivität nichts wissen will.

A) Systemfußball. Auch: Totaalvoetbal. Mannschaften: Arsenal, Barca, Ajax Amsterdam; Nationalmannschaften von Spanien und den Niederlanden.
Der Totale Fußball ist dasjenige System, das am schwersten zu spielen ist, weil es in taktischer und technischer Hinsicht die höchsten Anforderungen an den einzelnen Spieler stellt. Die Defensive wird immer aggressiv ausgeführt: Selbst in der Verteidigung zieht die Mannschaft sich nicht zurück, sondern bedrängt den Gegner, bis sie den Ball zurückerobert hat. Das generelle Ziel ist Ballbesitz, denn solange man den Ball hat, kann der Gegner keine Tore schießen. Erforderlich ist allerdings ein Paßspiel, das in Präzision und Tempo hinreichend ist, um den Ballbesitz zu behaupten. Der schnellste Mitspieler in diesem System ist immer der Ball. Der Gegner verbraucht daher selbst in der Defensive mehr Kraft als die Mannschaft, die den Ball führt.
Der Totale Fußball beruht auf einem variablen Stellungsspiel, dem organisierten Wechsel der Positionen durch die Spieler. Das Spielfeld ist im taktischen Verständnis der Spieler in Zonen aufgeteilt. Jeder Spieler weiß genau, was er in welcher Spielsituation zu tun hat. Verläßt ein Spieler seine Position, rückt ein anderer auf die frei gewordene Position, ein nächster auf diese usw. Durch diesen Positionswechsel wird das Spiel noch weniger durchschaubar, und altertümliche Defensivverfahren wie die Manndeckung ganz unmöglich.
Der Trainer des Totalen Fußball kann alles und weiß alles. Er hat immer recht, und das ganz besonders dann, wenn er nicht recht hat. Die Spieler tun gut daran, ihn für einen Gott zu halten, weswegen es von Vorteil ist, wenn er wirklich einige göttliche Eigenschaften besitzt.
Die Haltung, die dieser Spielweise zugrunde liegt, ist der Versuch der Vermittlung von spielerischer Individualität und taktischer Ordnung, von Neigung und Pflicht. Das System erweist sich so als Einheit von Widersprüchen: Instinkt und Intelligenz, Spontaneität und Planung, Eigennutz und Verzicht. Der Einzelspieler muß sich dem System unterwerfen, erlangt aber in dieser Unterwerfung eine Freiheit seines Spiels, die ihm ohne dies verwehrt bliebe.
So reiht der Totale Fußball sich nahtlos ein in die Riege der Weimarer Klassik, des Hegelianismus und Marxismus, praktisch demnach entspricht er den Verkehrsformen der Konstitutionellen Monarchie, des Tudor-Absolutismus, der Bismarck-Ära und des Neuen Ökonomischen Systems in der DDR, aus welcher Verwandtschaft sich seine zwei kardinalen Eigenschaften erklären: a) daß er das perfekte System ist, und b) daß er meistens verliert.

B) Protestantischer Fußball. Mannschaften: Schalke 04, Manchester United, Chelsea; Nationalmannschaften von England, Deutschland; alle Mannschaften, die Felix Magath trainiert.
Im Mittelpunkt dieser Spielweise stehen Ausdauer, Kampf und Kraft. Aber nicht nur technisch, auch taktisch ist der Protestantische Fußball unterbelichtet. In der Defensive kennt er zwei Methoden: Manndeckung und Blutgrätsche, bevorzugt zugleich. Selbst die Viererkette, wenn sie, wie in letzter Zeit, in diesem System gespielt wird, erinnert an die Manndeckung.
Der Protestantische Fußball ist gleichsam die Urform des Fußballspiels. Er entstand auf der Insel, wo der Protestantismus seine absurdeste Form erreichte: den Puritanismus. Der englische Fußball ist daher nicht nur geprägt vom protestantischen Arbeitsethos, sondern von einer starken Neigung zum Unvergnüglichen, zur Lustfeindlichkeit und der Ablehnung alles Besonderen. Man lebt, um zu arbeiten, nicht umgekehrt.
Zugleich ist dieses System das, was eine Mannschaft, deren Mitglieder unterhalb einer gewissen Qualitätsstufe bleiben, ausschließlich spielen kann. Das protestantische System ist also zugleich die primitive Urform des Fußballspiels wie auch der Inbegriff des unterklassigen und amateurhaften Fußballs.
Der klassische Spieler dieses Systems ist ein Allrounder, er muß alle Schwächen in sich vereinen: schlechte Ballbeherrschung, schlechte Schußtechnik, geringe Spielintelligenz und taktisches Unverständnis. Die einzige Stärke, die er haben muß, ist seine Physis, nebst einer gewissen Hemmungslosigkeit, wenn es darum geht, schnelleren und begabteren Spielern die Beine zu brechen. Der Spieler dieses Systems ist daher eher Leichtathlet als ein Fußballer. Und er muß einfallslos genug sein, um auch das fünfzehnte Mal innerhalb eines Spiels aus dem Halbfeld eine hohe Flanke zu schlagen, während in der Mitte ein klassischer Stoßstürmer in die Luft steigt, der den Ball in seinem Leben weitaus öfter mit dem Kopf als mit dem Fuß berührt hat. Die protestantische Spielweise ist so geistlos wie unansehnlich, aber anders als der später noch zu behandelnde Catenaccio ist sie rastlos und ehrlich; etwas anderes wäre vom Protestantismus auch nicht zu erwarten.
So natürlich auch von seinem Derivat, dem Puritanismus, der ja gleichsam Ausdruck des Bürgertums in seiner reinen Bestimmtheit ist: die Welt und ihre Werte reduziert auf das Klingen der Registrierkasse und des Weckers, der um 5:00 Uhr morgens zum Aufstehen in einen weiteren von Blut und Schweiß getränkten Arbeitstag ruft. Frauen kommen in der puritanischen Welt übrigens nicht vor. Folglich trifft man sie auch nicht in den Stadien, wo der Protestantische Fußball gespielt wird. Genauso wie die Häuserfassaden und all die anderen Kunsterzeugnisse mit Beginn der reinen Bürgergesellschaft (Anfang des 20. Jahrhunderts) immer kunst- und trostloser wurden, ist der Protestantische Fußball ohne jegliche Kunst. Da das Ästhetische aber am Fußball nur akzidentiell ist, ist dieser Mangel kein Grund, den Protestantischen Fußball aus der Gattung des Fußballspiels auszuschließen.
Obgleich wir nichts lieber täten.

C) Atomisierter Fußball. Mannschaften: Real Madrid, Manchester City; All-Star-Teams; Nationalmannschaft von Brasilien.
Die atomisierte Spielweise entsteht, wo eine große Zahl von Einzelkönnern, aber kein Bedürfnis nach Disziplin vorhanden ist. So finden sich auf dem Spielfeld elf Häuptlinge, die in Ermangelung von Indianern ihren Willen nicht durchsetzen können. Die Spieler der Mannschaft verhalten sich zueinander wie Konkurrenten auf dem freien Markt. In seiner Ablehnung eines organischen Ganzen ist der Atomisierte Fußball die Nutzanwendung der Ethik von Adam Smith und erweist sich als der schönere Bruder des Protestantischen Fußballs. Während im Protestantischen Fußball Hard- und Software auf demselben (jämmerlichen) Stand sind, gleicht der Atomisierte Fußball einem hochmodernen, leistungsfähigen Rechner, auf dem Windows 3.11 läuft.
In der Defensive arbeitet er in der Regel mit einer simplen, sehr weit nach vorn gezogenen und daher leicht zu überwindenden Raumdeckung, die sich stets auf die Seite des Feldes verschiebt, in der der Ball sich befindet. Die offensiven Spieler arbeiten wenig bis gar nicht nach hinten. Das Angriffsspiel ist weder das Ergebnis einstudierter Muster noch eines „blinden“ Verständnisses der Spieler füreinander. Vorstöße werden seltener durch anspruchsvolles Paßspiel vorgetragen als vielmehr durch Dribblings, das heißt dadurch, daß der Spieler, auf sich allein gestellt, mit dem Ball durch die Abwehrreihen des Gegners zu gelangen versucht. Diese Spielweise kann nur von Spielern ausgeführt werden, die hohe Fähigkeiten am Ball besitzen. Sie erfordert aber auch kaum Intelligenz oder Verständnis für das Verhalten auf dem Platz. Taktik findet in diesem System nicht statt; bestenfalls als unverbindliche Vorgabe. Den Makel, daß ihre Spielweise leicht auszurechnen ist, machen die angreifenden Spieler durch ihre große Klasse wieder wett. Allerdings können sie von einer protestantisch spielenden Mannschaft, die sich nicht scheut, doppelte oder dreifache Manndeckung zu spielen, in Schach gehalten werden. Das völlige Fehlen taktischer Disziplin und spielerischer Intelligenz führt zudem zu einer Anfälligkeit dieser Mannschaften bei Standardsituationen und Konterattacken.
Der klassische Spieler dieses Systems ist eine Monade, und Monaden, sagt Leibniz, haben keine Fenster. Der Spieler vereinzelt sich auf dem Platz, Raum für Egoismus und manierierte Spielweise ist daher stets vorhanden.
Wir erkennen in diesem System die Weltanschauung und Lebensweise des Liberalismus wieder, des unbedingten und absolut gesetzten Individualismus: die moderne Verlorenheit des Einzelnen in einem unerkannten und nicht gewollten Ganzen, das sich dem Subjekt so nur als Unordnung darstellen kann. Jeder stirbt für sich allein. Unterordnung, die Voraussetzung der Freiheit, findet hier nicht statt. Taktik wird nicht als Chance, sondern als Zwang begriffen. Das Resultat ist, wie stets im Liberalismus, die Geistlosigkeit im ganzen, deren Schönheit im einzelnen allerdings nicht geleugnet werden kann.

D) Unmenschlicher Fußball. Auch: Catenaccio. Mannschaften: Alle italienischen Vereine; Nationalmannschaft von Italien.
Die Welt dankt Italien nicht nur Gutes. Es hat ihr die Renaissance und eine vorzügliche Küche geschenkt, hierfür wird die Welt ihm stets dankbar bleiben müssen, aber nicht so dankbar, daß sie je darüber hinwegsehen könnte, daß Italien in der jüngeren Vergangenheit zwei weniger erfreuliche Erscheinungen hervorgebracht hat: den Faschismus und den Catenaccio. Es ist eine alte Streitrage, welche dieser beiden Erscheinungen die unmenschlichere ist. Es gibt Fachleute, die den Catenaccio an die Spitze der üblen Dinge stellen, weil er, anders als der Faschismus, bis heute lebendig und wirkmächtig ist.
Den Catenaccio erkennt man daran, daß sich auf dem Platz nichts ereignet. Wenn eine Mannschaft aus freien Stücken und unbedrängt einen Torversuch unternimmt, spielt sie keinen Catenaccio. Es wird immer mal wieder kolportiert, das Ausgangs-Schema des Catenaccio sei ein 4-5-1. Beobachter des italienischen Fußballsports wissen es besser. Das Schema des Catenaccio ist ein 10-0-0, immer. Angriffe auf des Gegners Tor gibt es bestenfalls als Konterstöße, hauptsächlich aber bei Standardsituationen. Bei einer Ecke betreten nie mehr als höchstens zwei Spieler den gegnerischen Strafraum. In der Formation des Catenaccio spielen in der hintersten Abwehrreihe … Ich spreche, Sie merken es, nicht von der Abwehrreihe; im Catenaccio-Schema gibt es ausschließlich Abwehrreihen. In der Formation des Catenaccio spielen also in der hintersten Abwehrreihe gewöhnlich Spieler, die in ihrem Leben noch nie die Mittellinie übertreten haben.
Der klassische Spieler dieses Systems muß keinen Fußball spielen können und auch athletisch nicht besonders gut trainiert sein. Was er braucht, ist erstens eine vollkommene Freiheit von räumlichen Angststörungen (anders könnte er die engmaschige Raumdeckung, bei der nicht selten alle zehn Feldspieler sich im eigenen Strafraum aufhalten, nicht spielen) und zweitens die Bereitschaft, sich einem taktischen Korsett bis zur Selbstaufgabe unterzuordnen. Diese absolute Ent-Individualisierung kann kein Mensch längere Zeit erleiden, ohne daß es nachhaltige Spuren hinterläßt. Wenn eine Catenaccio-Mannschaft, um einen Sieg zu feiern, in einem Restaurant beisammen sitzt, bestellt der Trainer für alle Spieler die Speisen, weil sie selbst mit dieser Entscheidung überfordert wären.
Die von den seelenlosen und korrupten Lohnschreibern der weltweit wirksamen Lobby des italienischen Fußballs verbreitete Behauptung, Ziel des Catenaccio sei das Ergebnis, die Spielart daher ergebnisorientiert zu nennen, ist grundfalsch. Ziel des Catenaccio ist die vollkommene Abwesenheit von Unterhaltung. Erst wenn die absolute Tristesse auf dem Platz herrscht, erst wenn auch der Gegner so an dem 10-0-0 verzweifelt, daß er das Fußballspielen einstellt, ist der Trainer des Catenaccio zufrieden. Verläßt auch nur ein Zuschauer vergnüglich das Stadion, raubt das dem Trainer den Schlaf. Er weiß dann, er muß das Spiel beim nächsten Mal noch destruktiver und unansehnlicher gestalten. Einen echten Trainer des Catenaccio erkennt man daran: Hat seine Mannschaft mit mehr als einem Tor Vorsprung gewonnen, also z.B. 2:0, dann muß der Schütze dieses vollkommen überflüssigen Tors ein paar Einheiten Straftraining  absolvieren.
Die dieser Spielweise zugrunde liegende Haltung ist somit die Menschenfeindlichkeit, erstens in Form der Gleichmacherei und Auslöschung der Individualität auf dem Platz und zweitens in Form der Kunst- und der Freudlosigkeit, die dieses Spiel bei den Zuschauern hinterläßt. Mit seiner Unterwerfung des Einzelnen unter ein abstraktes Ganzes entspricht der Catenaccio den kollektivistischen Spielarten des Sozialismus, der völkisch-volkstümlichen Bewegung Europas, der demokratischen Ideologie unserer Gegenwart, den fundamentalistischen Korporationen jedweder religiösen Bewegung, allen Wirtschaftsformen vor Erfindung der Arbeitsteilung und was an derartigen Scheußlichkeiten sich sonst noch in der Geschichte findet.
Übrigens glauben wir, daß Hegel seine Sentenz, daß das Wirkliche vernünftig sei, im Angesicht des Catenaccio noch einmal überdacht hätte.

Soweit mein System des natürlichen Spielens, der Arten, die das Fußballspiel seiner Natur gemäß hervorgebracht hat. Und wie bei allem, was die Natur hervorbringt, gibt es auch hier, wir sahen es, durchaus nicht nur Erfreuliches. Das System ist auch deshalb natürlich zu nennen, weil es die allenthalben wirksame Proportion einhält: Wo immer eine Gattung sich findet, die von Menschen ausgeübt wird, besteht die Gesamtmenge der Tätigkeiten in dieser Gattung – das verhält sich bei den Fußballtrainern nicht anders als bei den Opernregisseuren oder den Dramatikern – zu je einem Viertel aus Unvermögen, Unwillen, bösartigem Mißbrauch und Genialität. Dieses letzte Viertel ist der Ort, wo der Mensch sich von der bloßen Natur zu unterscheiden beginnt, ihr allmählich entwächst und gleichsam ein künstliches, sich selbst schaffendes Wesen wird. Er betritt das Reich der Kunst, wo nichts leicht zu machen ist, aber alles leicht aussieht.

Und ja, natürlich verrate ich Ihnen, wer in vier Wochen Weltmeister werden soll: die Niederlande natürlich. Wer denn auch sonst?

  27 Responses to “Die Geheimnisse des Fußballs”

  1. Die spinnen, die Berliner.

  2. Warten Sie nur ab, bis ich meine Ästhetik der Kochkünste abgeschlossen habe.

  3. O G“tt, ich hasse Fussballfilosofie. Nicht nur, weil ich als Dame dazu verpflichtet bin. Ich hasse ganz aus Eigennutz und jenseits jeden Rollenverständnisses. Fussball, das ist der chronisch geschwollene, ewig entzündete, unförmig hypertrophierte, der pochende & gärende Appendix der Gesellschaft. Schon die Diagnose ist widerlich, von einer Therapie ganz zu schweigen. Man kann Flüsse durch Sauställe leiten, aber durch Stadien? Natürlich habe ich keine Ahnung von den Vorgängen auf dem heiligen Rasen. Niemand versteht die Vorgänge in einer Entzündung genau, aber jeder weiss sie zu erkennen.

    Gut, es gibt die gänzlich stumpfen, die wie’s Vieh in die Stadien trotten. Bisweilen trampeln sie einander tot, bisweilen schlagen sie einander tot. Wie’s eben kommt. Von denen lohnt nicht zu reden; die sind jenseits von schlimm und blöde. Schlimm aber sind die Fussballfilosophen. Die Sublimierer des Krankhaften. Die sich, wie es in einer berühmten Textzeile heisst, „an dem Eiter laben“. Davon, dass Fussball ein Riesengeschäft ist, kein Wort. Davon, dass professionalisierter Leistungssport weder mit Sport noch mit Unterhaltung zu tun hat, ebenfalls nichts. Nur davon, wie man süchtig werden kann nach dem Geruch des Schwärenden.

    Der Zustand, in dem einer zum Fussballfilosofen wird, lässt sich am ehesten dem der Pythia im Orakel von Delphi vergleichen. Die redeten gleichermassen klar und wirr. Heute weiss man, sie litten Mangel an Frischluft. Das machte ihnen das Hirn schwummerig. Der selbe Mangel an Frischluft, scheints, kann durch den professionalisierten Fussball erzeugt werden. Vielleicht dünstet er auch eine Art neurotoxischer Miasmen aus, die sich durch elektromagnetische Wellen in die Fernsehbildschirme und also in praktisch jeden Haushalt ausbreiten. Man sollte das erforschen. Die Folge ist in jedem Fall, dass ein eigentlich leistungsfähiges Hirn schwummerig wird, und gleichzeitig klar und wirr spricht. In jedem Fall ein bejammernswertes Schauspiel. Nicht ohne gesellschaftliche Folgen. Ganz, wie das Orakel von Delphi.

    Apropos Orakel. Damit, immerhin, haben Sie recht: Holland wird Weltmeister. Darüber kein Streit.

  4. Ach, meine Liebe, ich ahnte nicht, wie sehr Kopfmensch Sie sind! Offenbar so sehr, daß Sie eben, sobald Sie auf ein Thema zu sprechen kommen, von dem Sie keine näheren Kenntnisse haben, wirklich nur Unsinn reden. Sie erinnern mich da unglücklicherweise an ein anderes Weib, mit dem ich einmal eine Diskussion über Kunst hatte. Ich redete immerzu von Gattungen, künstlerischen Techniken, dem Entwürfen des Künstler und seiner Weise, sich in der Welt zu verhalten etc., und was ich als Antwort bekam, war immer wieder: „Wes Brot ich eß, des ich Lied ich kotz.“ – Es muß sehr anstrengend sein, eine Sache, die von vielen geliebt wird, zu hassen. Anstrengend und langweilig.

  5. Och kommse, nu seinse ma nich gleich so verschnupft! Fussball ist nunmal nix Schönes, nix Gutes, nix Wahres. Wir können uns ja mal über die Subjektivität u.v.a. Komparabilität von Schönheit unterhalten. Was meinen Sie, wie die Leute z.B. folgende Gegenstände nach der Schönheit reihen würden: eine Blume, ein Kandinsky und ein Bundesligaspiel? Aber das führt uns weg vom Fussballfilosofentum. Ich habe ja geschmunzelt. Da kann ich wohl VERLANGEN, dass Sie nun zurück schmunzeln! Und ein bisschen Dalli, wenns geht. Sehen Sie, ich habe ja genauso mein Fussballfilosofentum. Bei mir ist es die Rock- und Popmusik. Vom Standpunkt des GutenSchönenWahren ist das alles schlimmes Zeugs. Aber ich filosofiere drüber. Was habe ich schon alles über TAFKAP oder die Beatles und LedZep verzapft! Ganze Abende gingen darüber hin! Abende, an denen man genauso gut einen vernünftigen Geschlechtsverkehr hätte zelebrieren können. Ich meine: Gibt es einen besseren Beweis? Freiwillig auf einen GV verzichten: Was immer der Grund sei, er *kann* doch nur ein Schund sein!

    So siehts aus. „Jeder steht auf irgendeinen Schund/ Und Ihrer ist nun ganz zufällig rund.“, dichtete schon Walter Benjamin mit einer Träne im Knopfloch. So gehts der Kultur im Zeitalter ihrer massenhaften Rezipierbarkeit. Kein Schädelbruch für einen echten Folosofen.

  6. Solange es nur ein Schädelbruch ist und kein Schnädelbach, ist es ja immerhin philosophabel (Berliner Logikerwitz, pardon).

    Ihre neuerliche Replik überrascht mich dann allerdings doch. Sollten Sie wirklich die manierierte Selbststilisierung, die Ironie und die bewußt eingenommene Subjektivität, die ich diesem Text (insbersondere dem ersten Absatz sowie dem über den Catenaccio) beigemischt habe, überlesen haben?

    In einem Punkt allerdings haben wir kein Mißverständnis, sondern Sie einen glatten Irrtum. Fußball, Rock’n Roll usw. mögen zu den trivialen Zeitvertreibungen gehören. Sie schaffen Zerstreuung und Kurzweile, und das ist, warum sie in der Welt sind. Aber damit ist eben nicht ausgeschlossen, daß sie Ideen enthalten. Und ebensowenig heißt das nicht, daß es nicht Techniken und Regeln gibt, die man auch in diesen Gattungen befolgen muß. Was Sie letztlich oben lesen können, ist gerade der Beweis, daß man alles, worin Menschen wirken, sinnvoll untersuchen und verstehen kann, wenn man sich mit dem Verstand daran macht, denn alles, was Menschen übers bloß Biologische hinaus tun, hat einen geistigen Anteil. Und das gilt auch für den Fußball. Freilich nicht von Ihrem Standpunkt, aber das hat nun wieder damit zu tun, daß Sie das Fußballspiel nur vom Hörensagen kennen. Und die Langeweile, die sich bei Ihnen einstellt, hängt damit zusammen, daß man das, was man nicht kennt, immer nur von dieser einen Seite her wahrnimmt, während derselbe Gegenstand sich dem Kenner täglich neu darstellt.

  7. Na ich sage doch, dass ich geschmunzelt habe. Beim Protestantischen wie beim Unmenschlichen Fussball. An andern Stellen auch. Ich kann ja nun nicht immer laut heraus wiehern, wie sähe das denn aus? Ausserdem haben Sie mich ungenau gelesen: Fussball langweilt mich gar nicht. Er widert mich an. Das ist ein Unterschied.
    Aber, wenn Weltmeisterschaft ist, bin ich hin & wieder gnädig. Dann sehe ich immer mal, wenn es sich ergibt, das eine oder andere Spiel. Hey, ich würde sogar mit Ihnen zusammen sitzen und gröhlen! Aber nur, wenn Weltmeisterschaft ist, versteht sich. Insgesamt ist das schon eine von den wirklich reizlosen und peinlichen menschlichen Aktivitäten. Ich mein: Wenn uns die Ausserirdischen dabei erwischen! Die glauben doch niemals an intelligentes Leben auf unserem Planeten. Aber gut. Ich gestehe Ihnen zu: Glauben die eh nicht. Egal, wobei die uns gerade erwischen.
    Nur eins will ich noch anmerken. Klar kann ein Mensch von Geist sogar einem derart substanzlosen Gegenstand wie dem Fussball etwas abgewinnen. Hölle, er könnte wahrscheinlich sogar Eisstockschiessfilosof werden. Jüngst hat mich jemand glaubhaft versichern wollen, es verlange einige taktische Klugheit und Umsicht, beim Eisstockschiesssen zu schrubbern. Is ja alles ok. Aber irgendwie mutet es immer unheimlich an, wenn ein Filosof allzumenschlich wird.

  8. Natürlich könnte ein Mensch von Geist auch Curling-Philosoph werden. Aber nun überlegen Sie mal, warum es 1 Milliarde Fußballphilosophen auf der Welt gibt und nicht einen Curling-Philosophen.

    Und meinen Sie wirklich, es sei möglich, das Menschliche zu bestimmen, indem man das Allzumenschliche ausklammert?

  9. Und meinen Sie wirklich, es sei möglich, das Menschliche zu bestimmen, indem man das Allzumenschliche ausklammert?

    Meine Rede! Seit Jahren fordere ich einen Lehrstuhl – Stuhl! – für Exkrementalphilosophie. „Liebe Frau Eff“, beschied man mir, „es gibt wirklich Dringenderes! (sic!) Solang nicht die übrige Welt in Buta ist, können sie sich Ihren Leerstuhl abschminken.“ – Fffft. Schmink ich halt. Mir doch egal.

  10. Naja, es hätte schlimmer kommen können: Sie hätten den Ruf erhalten und dann in der Antrittsvorlesung durchfallen können. Nirgends ist ein Durchfall verheerender als in der Exkrementalphilosophie.

  11. Punkt B Basilien ??

    Was mir in der Einleitung ein wenig gefehlt hat, ist die Publikumskomponente. Die Zuschauer sind ein Teil des Spiels, des Schauspiels, sie erzeugen oder verstärken die Emotionen und Eindrücke, die auf dem Feld entstehen. Mein persönlicher Eindruck des einzigen Fussballspiels, bei dem ich persönlich im Stadion anwesend war, vermittelte mir das Gefühl, in einem Kolosseum zu sein und nicht in einem Theater. Was aber eevtl. daran gelegen haben möchte, dass ich mir Hertha vs Bielefeld angesehen habe. Ich denke, dass die „Brot und Spiele“-Komponente beim Fussball eine größere Rolle spielt, als die Einleitung das vermuten lässt.

    Ich freu mich auf die nächsten vier Wochen!

  12. Ja, sicher Brasilien fällt unter B. Die große Klasse, die sie am Ball haben, täuscht nicht darüber hinweg, daß eine taktische Ordnung praktisch nicht existiert. Vor allem der Angriff ist kein Resultat einstudierter Laufwege usf, sondern beruht fast immer auf dem Versuch des Einzelspielers, sich im Dribbling durchzusetzen. Das Paßspiel der Basilianer ist mittelmäßig. Natürlich sind sie technisch in der Lage, präzise und schnelle Pässe zu spielen, aber die taktische Ausrichtung, das als generelles Muster zu spielen, haben sie nicht. Obwohl Carlos Dunga ja seit einiger Zeit versucht, die Mannschaft in taktischen Dingen besser zu machen.

    Die Brot&Spiele-Komponente existiert sicher. Aber das stand für mich nicht im Vordergrund. Irgendwann muß der Text ja auch mal wieder aufhören.

  13. Ah, Altphilologen, Fußball und Humor. Da fällt mir doch dieser herrliche Scherz-Artikel in dem sonst höchst seriösen Neuen Pauly ein:

    http://www.mediaevum.de/lexikaspass1.htm

    Das Fußballspielen nämlich, das haben die Griechen auch erfunden…

    P.S.: die Literaturverweise finde ich am herrlichsten -> die imaginäre Festschrift für M. Sammer und der Aufsatz eines Herrn Pedes (!)

  14. Wir basteln uns ein Hapax Legomenon, und Achilleus Taktikos ist natürlich eine sehr lustige Namenswahl. Bereits da hätte der empörte Rezensent merken müssen, daß der Artikel nicht ernstgemeint sein kann. (Die sonstige Seriösität des Neuen Pauly will ich natürlich nicht in Abrede stellen, auch wenn ich gehört habe, daß bei der Edition teilweise sehr schludrig gearbeitet worden sein soll. Der Eintrag zu Achilleus z.B. soll innerhalb eines Tages entstanden worden sein.)

    Man kommt aber auf schöne Gedanklen. Vielleicht sollte ich in das Hacks-Lexikon auch einen Scherzartikel einbauen, ein Hacksax Legomenon sozusagen.

  15. Ich hab zwar keine Ahnung, wovon sie hier reden, aber: Die Demokratische Volksrepublik Korea wird Weltmeister, nachdem es im Halbfinale zunächst Südkorea und im Finale dann Deutschland mit 3 zu 0 besiegt.

    Glauben Sie mir, ich bin gut im Prognostizieren!

  16. Am Ende könnten Sie recht haben. Im monton dröhnenden Terror der Vuvuzela könnten die Nordkoreaner, die an Monotonie bestens gewöhnt sind, sich als die beständigsten Spieler erweisen.

  17. „die Nordkoreaner, die an Monotonie bestens gewöhnt sind“

    Zählt diese Sorte Völkerkunde noch zur Phußballphilosophie oder schon zum ordinären Kommentatorentum? Bewerben sie sich doch damit ruhig mal beim öffentlich-unrechtlichen Rundfunk, der hat am Wochenende nämlich auch schon mehr als einen solchen Furz herausgelassen. Da ist es auch gar nicht monoton.

    Grüße von der Linksabweichung!

  18. Also das verstehe ich jetzt logisch nicht. Wenn die öffentlich-rechtliche Anstalt auch ohne mich Witze über Nordkorea hinbekommt, wozu soll ich mich dann dort bewerben?

  19. Peinlich, peinlich. Gegen SERBIEN! Jetzt ist aber jegliche historische Schuld abgetragen. (N Elfer versemmelt!) Zur Gänze abgetragen!

  20. Immer piktant, wenn ein besetztes Volk gegen seinen Besatzer im Sport gewinnt. Pikant und unterhaltsam.

    Im übrigen hat man auch Alberto Undiano Mallenco zu danken. Er hat mit seinem Platzverweis gegen den Herrn Klose (der trotz seiner polnischen und also katholischen Provenienz dem Protestantischen Fußball zuzurechnen ist) dafür gesorgt, daß es in der deutschen Nationalelf wieder so etwas wie ein Leistungsprinzip gibt.

  21. Sehr geehrter Herr Bartels, in der Annahme, daß Sie der Autor des Beitrags „Weltgeist in der Defensive“, junge Welt, 23.6.2010, sind, möchte ich Sie fragen ob Sie mir erlauben, diesen Beitrag und den noch folgenden 2. Teil (oder werden es mehrere Teile?) auf meiner Webseite „Leipziger Kritiken“ in der Rubrik „Philosophie“ zu veröffentlichen. Da ich auf Ihrer Webseite keine Email-Adresse fand, sehe ich nur über diesen Weg, mit Ihnen in Kontakt zu treten.
    Mit freundlichen Grüßen
    Kurt W. Fleming

  22. Sehr geehrter Herr Fleming,

    da haben Sie mich auf frischer Tat ertappt. Natürlich gestatte ich Ihnen, den Text zu verwenden und bin ja schon froh, daß es im Netz Betreiber gibt, die überhaupt fragen, bevor sie Content übernehmen (kominform.at z.B. hat da überhaupt keine Skrupel).

    Es grüßt herzlich
    Ih Felix Bartels

  23. Warum hat Jesus nicht das Bußballspiel erfunden?

  24. Ich sollte öfter über Fußball schreiben. Ein Thema offenbar, das keinen kalt läßt.

  25. Sehr geehrter Herr Bartels,

    Sie schulden der Welt eine Erklärung. Ein, zwei Tage Schockstarre seien Ihnen zugestanden, auch Genies sind schließlich nur Menschen. Nun aber ist es allerhöchste Zeit, dass Sie das Wort ergreifen. Das Politikern eigene Abtauchen und Aussitzen ist Ihrer nicht würdig. Nachdem Sie mich mit Ihrer Klassifizierung des natürlichen Spielens in die Geheimnisse des Fußballs eingeweiht haben, erwartete ich am Sonntag Abend doppelten Systemfußball, ach, was sage ich, Systemfußball in Potenz. Doch ich wurde bitter enttäuscht, denn was mußte ich erleben? Zumeist Catenaccio, etwas protestantischen Fußball sowie ein Gemisch von Sportarten, die auf einem Fußballplatz gemeinhin nichts zu suchen haben, wie etwa Nigel de Jongs Kick-Boxing-Attacke gegen Xabi Alonso.
    Sah ich ein anderes Spiel, habe ich Ihr System völlig mißverstanden, bin ich nicht mehr Herr meiner Sinne? Ich bitte um Aufklärung. Bringen Sie Theorie und Empirie wieder in Übereinstimmung. Hic Rhodus, hic salta!
    Mit ebenso freundlichen wie erwartungsvollen Grüßen, Ihr

    Lutz Marz

  26. Bester Herr Marz:

    Zunächst ist Ihnen klar, daß mein Leben zu großen Teilen von anderen Dingen ausgefüllt ist als von diesem Journal hier. Die letzten Tage waren in der Tat die Hölle – seelisch und körperlich -, aber nichts von dem hatte mit Fußball zu tun.

    Ich habe dieses Finale vorausgesagt, und ich habe es bekommen. Es gibt keinen Grund, unglücklich zu sein.

    Aristoteles sagt: Eine Theorie muß entweder mit den Phänomenen übereinstimmen, oder aber so vermittelt werden, daß der Widerspruch zu den Phänomenen erklärlich ist. Also antworte ich Ihnen folgendes:

    Wenn wir das Auftreten der niederländischen und der spanischen Mannschaften als Material zur Theorie nehmen, dann stimmt meine Theorie. Denn natürlich geht es bei einer Theoriebildung darum, wie eine Sache sich ingesgesamt verhält und nicht nur, wie sie sich an einem bestimmten Punkt verhält. Sie können ja nun unmöglich ein Spiel gegen hundert andere aufwiegen, in denen die besagte Spielweise klar zum Ausdruck kam.

    Ferner: Was Sie da vorgestern im Finale gesehen haben, war kein Catenaccio. Catenaccio ist eine zurückgezogene Raumdeckung, bei der die verteidigende Mannschaft frühestens am Beginn des eigenen Drittels den Gegner attackiert und kein Interesse am Ballbesitz zeigt, solange der Gegner in Angriffsbefwegung die Räume nicht so weit geöffnet hat, daß Platz zum Kontern ist. Beide Finalmannschaften haben Pressing gespielt, also: aggressive Balleroberung mit dem Wunsch, ihr eigenes Spiel durchzubringen.

    Was im Finale passiert ist, läßt sich taktisch recht gut erklären und war auch vorausszusehen (und was soll ich sagen? : ich habe es vorausgesehen). Spanien und Niederlande spielen einen recht ähnlichen Fußball. Beider Spielweise beruht darauf, den Ball möglichst schnell zu erobern und ihn dann möglichst lange zu behaupten. Beide Mannschaften können beides – Balleroberung und Ballbesitz behaupten – enorm gut, sie können das so gut wie keine andere Mannschaft auf der Welt. Aber es ist ganz leicht zu verstehen, daß nicht zwei Mannschaften auf dem Platz stehen können mit einer sehr hohen Ball possession: je mehr die eine den Ball besitzt, desto weniger die andere. Und da beide Mannschaften sehr gut darin sind, bei gegnerischem Ballbesitz den Ball zurückzuerobern, ergibt sich dieser unflüssige, von dauernden Kämpfen und Fouls geprägte Spielverlauf, den man im Finale gesehen hat. In der Tat ist es so, daß zwei Mannschaften, die den Systemfußball spielen, sich auf dem Platz gegeneinander nicht potentieren, sondern neutralisieren, wenn ihre Fähigkeiten, dieses System zu spielen ähnlich gut entwickelt ist.

  27. Da kommt (Spiel-)Freude auf. Eine Gegengabe: Der Diagonalpaß (auch) als Textkultur

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