Jan 072014
 

Der Unterschied zwischen Neid und Gier scheint bloß äußerlich. Der Gierige ist ein Neidischer, ohne es sein zu müssen. Er will mehr, als er braucht, und begehrt, was ein anderer hat. Der Neidische begehrt ebenfalls, was ein anderer hat, und will ebenfalls mehr, als er braucht. Das bloße Bedürfnis schafft weder Neid noch Gier, von denen sich erst sprechen läßt, wenn das Wollen über den individuellen Grund hinausgeht.

Beide Haltungen sind grenzenlos. Die alten Griechen hatten ein schönes Wort, das Neid und Gier zusammenfaßt: die Pleonexia, das Mehr-haben-Wollen. Was den Neidischen vom Gierigen unterscheidet, ist allein der Umstand, daß Neid sich auf Personen bezieht, die mehr haben als der Neidische, während die Gier ganz allgemein mehr haben will. Das macht den Neid mieser als die Gier, und die Gier blinder als den Neid. Der Neidische verübelt dem Mitmenschen, was der hat, dem Gierigen ist es gleich, wen er über die Klinge springen läßt, damit er bekommt, was er will.

Beide Haltungen machen keinen Spaß, sie sind partikular, also häßlich, und allemal unsexy. Die politische Konfiguration des real existierenden Kapitalismus widerspiegelt diesen zwar, aber irgendwie doch schlecht. Es gibt keine Partei des reinen Kapitalismus. Eine solche könnte es vielleicht geben, wenn der pauperistische Flügel der Linkspartei (mehr oder weniger die WASG-Leute) und der neoliberale Flügel der FDP, also Neid und Gier, sich zu einer Partei zusammenschlössen. Gewiß geht das nicht, so wenig eben, wie man zwei Soziopathen dazu bekäme, einander zu lieben. Ihre Ähnlichkeit macht ihre Uneinigkeit. Aber genau, daß es nicht geht, wäre, was den Charakter des Kapitalismus aufs beste widerspiegelte. Die Partei des reinen Kapitalismus ist also eine, die die Gesamtbewegung der Kapitalstruktur ausdrückt, indem sie nicht existiert.

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