Nov 302018
 

Mit jeder neuen Ausgabe der Bahamas erklären die Gegner, zumeist an denselben Deformationen leidend und lediglich die Gewichte etwas anders setzend, dass die Zeitschrift nun endgültig gestorben sei. Sie irren damit, wie sie nur können, denn was tot ist, kann nicht sterben. Die Bahamas war von jeher eine unpolitische Veranstaltung, so dass man sie besser ästhetisch fasse.

Was vorderhand paradox klingt, weil sichere 9 von 10 Autoren dieser Papierversammlung einfach nicht schreiben können. Man sollte gleichwohl die Unlesbarkeit der Artikel als Strategie verstehen. Ein allgemeines Prinzip der Kunst ist, dass eine spielerische Form einen ernsten Inhalt befördert. In der Bahamas steht dieses Prinzip Kopf. Hier verdeckt ein todernster Gestus (des letzten Gefechts, der Restvernunft, der drohenden islamischen Invasion) einen zutiefst unernsten, albernen Kern, indem es nie um was anderes ging als darum, sich irgendwie vom eigenen Linksgewesensein loszumachen. Daher die ungeheure Angestrengtheit im Sprachlichen, der vollständige Kontaktverlust zur Wirklichkeit, das Insichfortspinnen niemals dynamischer, niemals umschlagender oder spekulativ aufhebbarer Ideen in einem Wortelend, dessen erster Zweck ist, den Lesenden so sehr zu langweilen, dass all jene, die sich beim verhandelten Unsinn nicht sogleich vollversorgt fühlen, diese Texte bloß nicht bis zum Ende lesen. Das Blatt gibt Dienstleistung für Ohnehinüberzeugte, weswegen sich zum nächsten Jubiläum eine Umbenennung in Für Dich durchaus anbietet.

Die Ausgabe ist mit Spannung zu erwarten. Einer wird erklären, dass die Emanzipation des weiblichen Geschlechts erst dann wirklich abgeschlossen sei, wenn man Frauen wieder ungestört als Fotzen bezeichnen darf. Ein anderer beweisen, dass wahrhafter Kampf gegen Antisemitismus allein durch beharrliches Bemühen antisemitischer Stereotype den Verdacht ausräumen könne, man handle bloß aus Freundschaft zum Juden und nicht vor allem zum Schutze Israels. Ein dritter die Kopenhagener Interpretation als Vorboten des postmodernen Relativismus entlarven. Ein vierter den genuien Zusammenhang zwischen Sozialstaat und Vernichtungsideologie aufzeigen. Ein fünfter die AfD als parlamentarischen Arm des Weltgeists zur Durchsetzung des Kommunismus vorstellen.

Man kann Bahamas-Texte nicht im Sitzen lesen. Und ich bin sicher, dass sie auch nie im Sitzen geschrieben werden. Der Bahamas-Autor erhebt sich nicht bloß innerlich, wenn er mal wieder mit seinem Deutsch kämpft. Vermutlich trägt er beim Schreiben eine Art Kampfanzug, der sonst im Wandschrank seiner islamfreien Wohnung hängt. Hier wird Schreibarbeit zur Schreiarbeit.

Ich spotte nicht, um zu spotten. Ich lobe das. Denn es ist unterhaltend. Welchem irrelevanten Käseblatt allenfalls durchschnittlich begabter Opportunisten, die nicht einmal genug Wirbelsäule haben, wenigstens zu ihrem Opportunismus zu stehen, lässt sich schon nachsagen, ein neues Kunstgenre begründet zu haben? Ich spreche vom Editorial der Zeitung, das nie ein Editorial war, sondern etwas, auf das der Begriff ›Bezichtigungsparade‹ passt. Ohne Ahnung, ob oder wann ein Geburtstag ansteht, gratuliere ich schon mal und wünsche dem Blatt, das uns seit Jahren so viel Spaß macht, es werde genau so alt, wie es sich liest.

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