Aug 292019
 

»Toy Story 4«

Gute Fortsetzungen sind schon deswegen selten, weil bei den meisten Filmreihen bereits der erste Teil missraten war. Auf Schlechtes folgt praktisch nie Gutes, auf Gutes ziemlich oft schlechtes. Gute Filme mit guten Fortsetzungen sind folglich selten, und die Gleichung ist exponentiell. Gute dritte Teile, die mit ihren zwei vorausgegangenen mithalten können, sind so rar, dass man sie unter Artenschutz stellen möchte, was insofern passt, als in »Arten« dem Klang nach das englische »art« enthalten ist. Es wäre also von Art-Schutz zu reden – und ein Gesetz zu erlassen, das untersagt, drei gute Filme vermittels eines vierten zu bestatten. Die Totenfeier von »Men in Black« hat gerade begonnen, die von »Indiana Jones« dauert noch an.

Hier aber, bei den Toy Stories, scheinen die Gesetze der Wahrscheinlichkeit aufgehoben. Die Reihe hat drei erstklassige Filme vorgelegt (1995, 1999, 2010), und jetzt folgt ein vierter, der in jeder Hinsicht mithält. Es war nie nur der Witz, nie nur die kurzweilige Story, nie nur die stilsichere Animation, die die Klasse der Toy Stories begründete. Es war, dass mit jedem der Filme eine neue Seite am Komplex erhellt wurde, den diese Spielwelt vom Anbeginn hingesetzt hatte. Die Reihe war kaum je redundant, immer holte sie Neues aus sich selbst, ihrer eigenen Anlage heraus, und die Ideen ließen sich weit über den Kontext des Kinderzimmers hinaus furchtbar machen.

»Toy Story 4« bringt sehr subtil, regelrecht hinterhältig das Thema der Verlustangst aufs Tableau, die Eltern beim Erwachsenwerden und damit allmählichen Entwachsen ihrer Kinder erleben. Dabei spielt der Film mit der doppelten Bedeutung der Phrase »ein Kind haben«. Für ein Spielzeug bedeutet ein Kind zu haben etwas anderes als für Eltern, aber der Film packt beides, bestärkt durch zahlreiche Hinweise, in ein und dieselbe Erzählung. Kinder werden einen ganz anderen Film sehen als Erwachsene. Die rührende Pointe aber dieser wunderbar angelegten Story, dieses Glücksgriffs in nunmehr vierter Generation, ist, dass viele der Eltern, die heute mit im Kino sitzen, selbst die Kinder waren, als 1995 der erste Film der Reihe erschienen ist. Sie erleben also nicht bloß Differenz und Einheit der beiden Bedeutungsebenen, sie erleben das an ihrer eigenen Biographie.

Sorry, the comment form is closed at this time.