Aug 052009
 

Mohammed war ein Prophet,
Der vom Fußballspielen nichts versteht.
Doch aus all der schönen Farbenpracht
Hat er sich das Blau und Weiße ausgedacht.

Wie der Kundige umgehend an der dilettantischen Handhabung des Metrums, der hemdsärmeligen Gedankenführung und der ungechlachten Wortwahl erkannt haben dürfte, handelt es sich hierbei um eine Stelle aus der Vereinshymmne des Fußballclubs Schalke 04. Unkundigen sei erklärt, daß Schalke 04 so etwas wie den Bodensatz der deutschen Fußballkultur darstellt. Der durchschnittliche Schalkefan spricht kein Hochdeutsch, verfügt (sofern dies Verbum in diesem Zusammenhang anbebracht ist) über einen etwa kniehohen Bildungsstand und trägt jeden Samstag eine Aldi-Tüte (blau-weiß) voller Bierdosen in ein Ding, das er Schalke-Arena nennt, woselbst er sich den Inhalt der Dosen im Laufe von 90 Minuten samt und sonders hinter seinen Schnurrbart kippt. Ist er mit Saufen und Grölen fertig, ordnet er sich gekonnt das fettige Haar und kehrt nach Hause zurück, wo eine Dame auf ihn wartet, die meist auf den Namen Monika hört. Er ist mit einem Wort das ganze Gegenteil von mir und blickt in Folge dieser Eigenschaften verächtlich auf die Fans anderer Vereine herab, die, wie er glaubt, allesamt Etepetete und keine echten Fußballfans sind. Man muß allerdings einmal die Fans anderer Vereine gesehen haben, um ganz erahnen zu können, was ein Schalkefan so für Etepetete hält.

Fußball, will ich damit sagen, könnte eine schöne Sache sein, gäbe es keine Fußballfans. Aber es gibt auch schlimmeres als Fußballfans; religiöse Eiferer z.B. Also haben sich kürzlich ein paar Muslime fürchterlich über oben genannte Passage des Schalker Vereinslieds aufgeregt. Obgleich kaum vorstellbar ist, ich könnte je Partei für Schalke ergreifen, stößt mich ein solcher Ärger magisch ab. Ich bitte, das Ausmaß dieses Bekenntnisses zu beachten. Ich schwöre bei meinem Barte, daß ich jeden Propheten der Welt jederzeit dem FC Schalke 04 vorzöge und für einen kurzen Moment sogar überlegt habe, ob jenes Skandalon nicht eine günstige Gelegenheit sein könnte, den FC Schalke 04 verbieten zu lassen. Schließlich: Tierquälerei ist auch verboten, und was ist das für eine grausame Gesellschaft, in der eine so unglaublich delikate und wohlschmeckende Sache wie die Foie gras verboten ist, während etwas wie Schalke 04, dessen Sinn und Nutzen keinem so recht einleuchten will, nach wie vor erlaubt ist? Aber dann rufe ich mich zur Ordnung. Diese Logik zuende gedacht müßte man auch alle anderen sinn- und nutzlosen Dinge dieser Welt abschaffen: z.B. Bundestagswahlen, Unternehmensberater und das Schnabeltier. Wenn die bleiben, dann soll in Gottes Namen auch Schalke bleiben.

Oder vielmehr in Mohammeds Namen? Manchmal muß man den Propheten gegen seine eigenen Anhänger verteidigen. Kann eine große Religion eigentlich dulden, daß einige ihrer Anhänger sie durch übereifrige Parteinahme öffentlich derart der Lächerlichkeit preisgeben? Bislang hat noch jeder Versuch, sich öffentliche Verspottung vermittels öffentlich vorgetragener Klage vom Leibe zu halten, nicht zur Tilgung des Übels geführt, sondern zu dessen Vermehrung. Anders gesagt: Wer Humorlosigkeit säht, wird nur weiteren Humor ernten. Als der ziemlich unfähige Trainer Klinsmann vor ein paar Monaten nach einer ziemlich abgeschmackten Pressekampagne gegen ihn ausgerechnet die taz verklagte, weil die ihn am Kreuz genagelt auf dem Titelblatt abgebildet hatte, war das Resultat, daß alle Spötter nur noch mehr spotteten. War doch klar, daß Klinsmann nicht nur nicht verstand, daß die taz im Grunde nichts weiter getan hatte, als den damaligen Vorgängen um Klinsmann und der Kampagne gegen ihn einen bildhaften Ausdruck zu geben, sondern auch, daß Klinsmanns kultureller Horizont genauso begrenzt war, wie wir immer alle wußten. Die Überschrift zum Bild lautete nämlich: „Always look on the bright side of life“, und daß das keine Anspielung auf Jesus Christus, sondern auf einen genialen britischen Spielfilm ist, sollte sich vielleicht sogar bis in die zuweilen in der Tat recht hermetische Welt des Profifußballs herumgesprochen haben.

Doch bleiben wir bei den Moslems, bzw. bei denen von ihnen, die sich peinlich benehmen, welche Gruppen miteinander zu verwechseln ich dringend abrate. Natürlich kommt einem umgehend der Karikaturenstreit von 2005 in den Sinn. Schon damals war mir nicht recht ersichtlich – ganz abgesehen davon, daß ich mich fragte, ob es die Jütlands-Post überhaupt irgendwo im Nahen Osten zu kaufen gibt -, wieso eine Handvoll spöttischer Karikaturen vom Propheten Mohammed einen solchen Aufruhr verursachen konnten, während doch in den Tageszeitungen islamisch geprägter Länder auch immer mal wieder Karikaturen zu finden sind, in denen z.B. Juden oder der jüdische Glaube aufs Korn genommen wird. Man mißt, wo es um Religion Politik geht, wie so oft, mit zweierlei Maß.

Es gibt einen Satz, der den ganzen Streit erledigt: Wer nicht ertragen kann, daß sein Glaube öffentlich verspottet wird, soll sich nicht öffentlich zu ihm bekennen. Oder anders gesagt: Wessen Glaube fest ist, gerade der muß über dem Spott stehen können. Wer für das Recht eintritt, seinen Glauben ausüben zu dürfen, der muß auch für das Recht eintreten, daß andere diesen Glauben nicht ausüben, und diese Nichtausübung schließt auch die Artikulation eines Nichtverständnisses, wozu der Spott zählt, mit ein.

Und abgesehen davon: Daß über eine Religion gespottet wird, ist ein sicheres Zeichen dafür, daß sie noch da ist.

  5 Responses to “Was weh tut, ist noch da”

  1. jojo- muss man laberer einladen? oder darf man aparte salonfreunde hegen? couronner ces têtes, consoler ses coeurs?

  2. Sie denken vielleicht, Sie seien mutig, vonwegen dem Seitenhieb auf das putzige Schnabeltier; aber sagen Sie mal was gegen Wale!

    Die Japaner haben Recht! Harpuniert die Wale, wo ihr sie trefft!

    Säugetiere, die im Meer leben. Wer glaubt denn an sowas!?

    Ich sage immer: Wenn das mit dem Verlag nicht klappt, dann kaufe ich mir ein hochseetaugliches Boot und gründe die „Whale Butcher Cruises Inc.“. Das Boot übrigens nenne ich „Aristoteles“.

  3. Was agitieren Sie mich? Ich überlege schon seit Jahren, eine Initiative zu gründen für den gesteigerten Verzehr bedrohter Tierarten.

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