Apr 302010
 

Unlängst habe ich vermocht, mich … – doch ich stocke, indem ich das schreibe. Gestern nämlich kam mir ein Buch eines gewissen Wolf Schneider unter die Nase, Deutsch fürs Leben, das von sich behauptet, ein Lehrgang der höheren deutschen Sprache zu sein und worin sich folgende Regel findet: „Mit Wörtern geizen“. Schreiben Sie, steht da, „also nicht: zu diesem Zeitpunkt, sondern: jetzt“, nicht: „keine Seltenheit“, sondern: „häufig“, nicht: „ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig,“ sondern: „war ziemlich deutlich“ usw. Das Grundprinzip guter Sprache sei, niemals mehr zu schreiben als unbedingt notwendig. Man staunt dann im übrigen, was so alles nicht notwendig ist. Daß diese Regel fischig ist, vermag der Beobachter bereits daran zu erkennen, daß ihr die Kulturabschaffer aller politischen Lager, Puritaner wie Maoisten, Rousseauisten wie Fortschrittler, gleichermaßen und uneingeschränkt Beifall zu spenden geneigt sind (ja! : zu spenden geneigt sind, nicht: spenden). Für die faulsten Exemplare aller Obstkörbe sollte stets ein leerer Korb bereitstehen, in den man sie alle miteinander werfen kann. Kultur ist ihrem Wesen nach konservativ, die Abschaffer von Kultur daher entweder als Fortschrittler oder als Rückschrittler auftreten, meistens doch aber als Fortschrittler. Das Schlechteste läßt sich einmal am besten verkaufen, wenn man es als das Neueste anpreist. Was deutsche Sprache ist, lernt man bei Goethe und Thomas Mann. Es gibt auch andere, bei denen man es lernen kann, aber keinen, der nicht in jene Linie gehörte, die Mann und Goethe, als die zwei Gipfelpunkte, zwischen sich (Karl Kraus, Heine), nach hinten (Wieland, Lessing) und nach vorn (Arno Schmidt, Hacks) spannen. Ich kann der Menschheit nur dringend davon abraten, die Sprache Goethes zu einer Sprache Schneiders werden zu lassen. Stil ist genauer, auf Wirkung hin berechneter Sprachgebrauch. Notwendig an Sprache ist demnach alles, was die vom Autor gewünschte Wirkung erzeugt, und es ist nicht schwer zu begreifen, daß es Situationen gibt, in denen es durchaus angebracht ist, anstelle von „neulich habe ich“ „unlängst habe ich vermocht“ zu schreiben.

Unlängst also habe ich vermocht, mich über den Wolf Schneider der Malerei, Wolfgang Mattheuer, gar tüchtig zu echauffieren. Der Text, der nun dabei herauskam, war – ich muß es gestehen – eigentlich eine Digression. Mein ursprüngliches Vorhaben hatte ich darin, über meine Leipziger Eindrücke auf ein Phänomen zu sprechen zu kommen, das gemeinhin unter dem Schlagwort Leipziger Schule gefaßt wird und von dem ich behaupte, daß es kein Phänomen, sondern vielmehr ein wahrhaft leerer Begriff ist. Leere Begriffe nützen bestenfalls dem Logiker, und selbst der ist glücklicher, wenn er seinem Existenzquantor kein Negationszeichen voraussschicken muß. Aus Dingen, die existieren, lassen sich besser Ableitungen gewinnen als aus nichtexistenten Dingen. In phänomenologischen Disziplinen (zu welchen auch die Ästhetik zählt) ist der leere Begriff hingegen nicht nur ein Ärgernis, sondern schlechterdings ungestattet. Die Aussage, daß alle Welxen dumm sind, ist für den Logiker, der eher an der Struktur einer Aussage interessiert ist als an der Frage, ob die Dinge, über die geredet wird, tatsächlich existieren, immerhin noch eine Aussage, mit der man operieren kann. Für denjenigen, der berufsmäßig mit den Erscheinungen befaßt ist, ist die Aussage, daß die Leipziger Schule eine gute Schule ist, schlichtweg unsinnig, da sie ja unterstellt, daß eine Leipziger Schule tatsächlich existiert.

Ich habe, wie Sie wohl gemerkt haben, noch eben so verhindern können, das Thema erneut in einer Digression versanden zu lassen, was freilich nicht in jedem Fall bedauerlich wäre; es hängt ja ganz von der Beschaffenheit des Sandes ab. Am Strand von Samoa beispielsweise gibt es nicht ein Korn, das größer ist als die anderen, woran man … Ich rufe mich zur Ordnung. Die Leipziger Schule also, die ich, da ich ihre Existenz bezweifle, die sogenannte Leipziger Schule, oder kürzer und besser: die Sogenannte nennen will, war mir von jeher als Begriff suspekt. Ich erinnere mich meiner ersten Berühungen mit den Erzeugnissen von Wolfgang Mattheuer, Bernhard Heisig und Werner Tübke. Ich war jung und kannte das Leben nicht. Ich gestehe aber, daß mir Tübke gleich gefiel, Mattheuer mich gleich langweilte und Heisig gleich nervte. Ich anerkannte zwar bei Mattheuer und Heisig ein gewisses Können, das zuweilen durchzuscheinen schien, doch zu sehr verdeckt wurde dieses Können durch den Mantel jener beabsichtigen Unzulänglichkeit, die beide Maler, ein jeder auf seine Art, sich zum Credo gemacht haben, als daß man ihre Werke ohne weiteres gelungen nennen konnte. Und ich, Laie, der ich in Fragen der Bildenden Kunst war und bin, verstand nicht, aus welchem Grund man diese nicht nur im Stil, sondern auch in der Güte ihrer Werke so verschiedenen Künstler unter einen Begriff zwingen wollte. Konnte da wirklich nicht mehr dahinterstecken als bloß die Tatsache, daß sie allesamt in Leipzig wohnten? Einmal angenommen, sie hätten selbdritt in der Springerstraße zu Leipzig gelebt, hätte man dann nicht noch besser von der Gohliser Schule sprechen sollen? Aber ich nahm den Begriff der Sogenannten hin, in der Annahme, daß es Menschen gibt, die wissen, aus welchen Gründen sie ihre Begriffe bilden. Ich war, wie gesagt, jung und kannte das Leben nicht.

Sapere aude! Traue deinem Denken mehr als dem, was dir versichert wird. Wenn man nicht das für wahr halten kann, was einem logisch erscheint, was soll man dann überhaupt noch für wahr halten? Tübke, Mattheuer und Heisig sind einander so unähnlich, wie Maler nur eben sein können. Ähnlicher als einander sind sie allemal anderen. Mattheuers Naivität verbindet ihn mehr mit Walter Womacka, Heisigs expressionistischer Stil mehr mit dem Willi Sittes. Aber Womacka ist Berliner, Sitte Hallenser. Heinz Zander wiederum verbindet einiges mit Tübke, aber genau deswegen mit Mattheuer und Heisig um so weniger. Tübke schließlich ist singulär. Mehr als von irgendeinem Maler seiner Zeit hängt er von den Malern der Renaissance und des Manierismus ab, besonders wohl von El Greco und Cranach, die ihm so nahe sind, als hätten sie allesamt zur selben Zeit in Leipzig gewohnt. Tübkes Nachfolger wäre vielleicht Neo Rauch, mehr als alle indes gleicht ihm Michael Triegel, der heute zweifellos der größte lebende Maler in Deutschland ist. Wenn also überhaupt von einer Leipziger Schule zu sprechen ginge, dann in dem Sinne, daß es Maler gibt, die bei Tübke gelernt haben, und es sind die besten, die das taten. Das aber betrifft Maler der späteren Zeiten, der Generation nach Tübke, auf die er wirken konnte, womit der Begriff der Schule diachron zu verstehen sei, so also, wie man ihn allein auf richtige Weise verstehen kann. Was aber, abgesehen davon, daß man sich gelegentlich über den Weg lief, haben die Vertreter der Sogenannten gemein? Es scheint nötig zu sagen, was die Welt weiß und offenbar nicht wissen will: Abgesehen davon, daß allesamt Farbe auf Leinwand aufgetragen haben, eint die Maler der Sogenannten überhaupt nichts.

Der Begriff der Schule, sagte ich, läßt sich in der Ästhetik nur auf eine Weise verstehen: als diachroner Zusammenhang, als Begriff also, der sich auf das Handwerk und die technische und traditionelle Abhängigkeit der Künstler bezieht, und technische Abhängigkeit voneinander kann man den Vertretern der Sogenannten nicht … fast hätte ich geschrieben: vorwerfen. Natürlich kann man auch, sofern man vorzieht, Begriffe für Sachverhalte zu benutzen, die ihnen nicht entsprechen, den Begriff der Schule nicht diachron, sondern synchron, nicht genrebezogen also, sondern zeitbezogen verstehen. Aber Leipzig ist kein Epochenbegriff, sondern bestenfalls ein Milieu, und im Fall, einer verstünde unter seiner Zeit einfach das ihn umgebene Milieu, schlüge ich bezüglich der Sogenannten vor, von LPG zu sprechen, der Leipziger Produktionsgenossenschaft. Ich sehe es förmlich vor mir: Heisig, Mattheuer und Tübke, sich Brot, Dach, Leinwand, Pinsel und Weiber teilend. Sorgsam wirft der eine dem anderen einen Blick über die leutselige Schulter, gibt hier und da einen Hinweis, mitunter, wenn der eine zur Sparkasse oder zur Verleihung des Nationalpreises muß, vollendet der andere ihm auch das begonnene Werk; abends dann, wenn alle müde sind, sitzen sie gemeinsam unter der Stehlampe und blättern bewundernd im neuesten Bildband von Jackson Pollock. – Kurzum: Der Milieubegriff als Erklärung für Kunstvorgänge ist von einiger geistiger Verwahrlosung. Ein Künstler steht zunächst und zuerst in den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen er lebt; er kann, wenn er sich als Subjekt in seinen Werken zum Ausdruck bringt, gar nicht umhin, auch diese Verhältnisse mit auszudrücken. Aber gesellschaftliche Verhältnisse, das meint hier das Gesamt aller Formen des Verkehrs zwischen Menschen. Nicht Leipzig prägt den Leipziger Künstler, sondern die Verhältnisse von Leipzig, und die Verhältnisse von Leipzig sind zur zum geringen Teil spezifisch leipsch. Man muß schon ein vertrockneter Naturalist sein, um den Begriff der Epoche auf den des Milieus einer bestimmten Stadt herunterzubrechen.

Zumal auch selbst der Begriff der Epoche, im Sinne des Gesamtzusamenhangs einer Zeit, dem alle Künstler der Gegenwart gleichermaßen unterliegen, für den Beobachter eine Falle bereithält. Wahr ist, daß ein großes Kunstwerk stets auch Ausdruck der Zeit seiner Entstehung ist. Aber damit ist nicht gesagt, daß jeder Zeitgenosse ein großes Werk seiner Epoche schaffen konnte. Es gibt eine Unart in der Literatur- wie in der Kunstwissenschaft, ganze Heerscharen gleichzeitiger Künstler zu großen Gemeinschaften zusammenzufassen, ungeachtet aller Unterschiede in Technik, Stil, Inhalt, Tendenz und Niveau ihrer Werke. Der Epochenbegriff, wenn man ihn kunstsoziologisch und  auf die Art absolut gebraucht, enthält die Negation eines Begriffs, der vielleicht der wichtigste Begriff ist, mit dem die Ästhetik operiert: des Genies. Nirgends spielt die Quantität gegenüber der Qualität eine so geringe Rolle wie in der Ästhetik. Myriaden von Buchbänden und Leinwänden geraten in Vergessenheit, wenn sie nicht mehr als vergegenständlichter Zeitgeist sind; ein einzelnes Werk dagegen kann eine ganze Epoche machen, wenn es nur gut genug ist. Wofür sich die Ästhetik interessieren muß, das ist immer dieser eine, hohe und große Fall, weil der allein zeigt, was die Gattung Mensch, mithin die betreffende Kunstgattung hergibt. Was in einer Zeit an Möglichkeiten steckt, darüber belehrt uns nie der Durchschnitt, sondern immer die Koryphäe, das Genie. Das bildnerische Genie seiner Zeit war Werner Tübke; er ragt in jeder Hinsicht heraus: inhaltlich, technisch und was den Erfolg betrifft. Das nicht anzuerkennen und ihn mit anderen Malern dem abstrakten Gedanken einer gemeinschaftlichen Herstellungsweise zu unterwerfen bedeutet, seine Größe und Einmaligkeit nicht anzuerkennen. Nicht nur die Weltgeschichte übrigens wiederholt sich, sondern auch die Kunstgeschichte: Von Bertolt Brecht, der, oblgeich selbst nicht eben Durchschnitt, sich die Posse leistete, wenig auf das Genie und alles auf das Kollektiv zu geben, stammt die Legende, daß das Elisabethanische Zeitalter eine große Zahl dramatischer Riesen hervorgebracht habe. Selbst wenn man aber eingesteht, daß Johnson und Marlowe besser sind als Webster und Beaumont, wie um alles in der Welt sollte einer von denen neben Shakespeare stehen können?

Es war, wofern mein Gedächtnis mir keinen Streich spielt, nicht die Kunstwissenschaft, die den Begriff der Sogenannten aufgebracht hat, sondern die Journaille. Die Kunstwissenschaft hat sich des Vergehens schuldig gemacht, bereitwillig einen Begriff zu übernehmen, von dem sie wußte – von dem sie wissen mußte –, daß er keinen Inhalt hat. Das menschliche Gehirn liebt Muster; es haßt Erscheinungen, die es nicht versteht und nicht einordnen kann. Ansichtig einer Erscheinung, die keinen Zusammenhang hat oder zu haben scheint, verfährt es folglich so, daß es den Zusammenhang eingreifend herstellt. Und je kleiner das Hirn ist, desto dummfrecher der Eingriff. Das steigert sich noch, wenn mediokrer Dünkel ins Spiel kommt. Die Kunstwissenschaft hat genauso wie die Philologie eine Aversion gegen alles Große, mithin folglich gegen jede Form von Genialität. Sie liebt es, Gruppen zu entdecken, und entdeckt sie keine, macht sie sich welche. Es ist die geheime Abneigung des Mittelmaßes gegen alles Besondere und Vortreffliche, woran der demokratische Wahn der Bundesrepublik und der kollektivistische Wahn der DDR ihr Gemeinsames haben. Diese zwei sonst so gegensätzlichen Systeme leiden oder litten in dieser Hinsicht tatsächlich an derselben Krankheit.  Kulturabschaffer sind in allen Lagern die Pest. Die Welt, ich deutete es oben an, ist ein Obstgarten, und dieser Garten kennt zwei unversöhnliche Kämpfe. Der eine geht zwischen den Obstkörben und ist für jedermann unmißverständlich und deutlich einsehbar. Der andere tobt zwischen dem faulen und dem gesunden Obst. Dieser zweite Kampf ist dem gewöhnlichen Verstande, der über Obst nur in Form von Obstkörben denken kann und dessen Denken folglich stets entlang den Korbrändern verläuft, weniger einsichtig, da faules Obst – und jeder Gärtner wird nun sorgenvoll nicken –  die Angewohnheit hat, sich in jeden nur denkbaren Obstkorb einzuschleichen.

  5 Responses to “Weltgeist sieht Leipzsch: Die Sogenannte”

  1. Interessant ist die Verbindung von Eduard Engel, Ludwig Reiners und Wolf Schneider.

    Das „Fasse dich kurz“ bei Schneider hat zwei Gründe, beide sind lustig: Er hat für Journalisten geschrieben, und zwar von Arbeitgeberseite her, d.h. er wollte möglichst wenig Zeilengeld zahlen. Er hat sein Handwerk als fest angestellter Übersetzer für das US-Militär gelernt, d.h. er hatte keine Lust, irrsinnig lange Texte zu übersetzen.

  2. In der heutigen Zeit sind Informationen wichtiger als lange Texte mit wenig Inhalt. Schön wer Spaß beim schreiben und beim lesen hat, aber die meisten langweilt so ein Text. Es bleibt der Eindruck, dass der Verfasser einem vermitteln möchte wie elitär er doch ist. Kurz und knapp wollen die meisten. Die Redundanz kann natürlich abgrenzen da die Masse so etwas ungern ließt. Ich muss gestehen, dass einige dieser alten deutschen Wörter doch mal zur Abwechslung ganz amüsant sind.

  3. Und mich wieder amüsieren einige Kommentare in diesem Journal.

  4. „Kurzum: Der Milieubegriff als Erklärung für Kunstvorgänge ist von einiger geistiger Verwahrlosung.“

    Er ist aber – der Herrschaft dieser geistigen Verwahrlosung Rechnung tragend – durchaus stichhaltig:

    Die gemeinsame Klammer aller sogenannten Schulen ist die der Kumpanei, der ökonomischen und sozialen Gegenseitigkeit eines künstlervolksgemeinschaftlichen Mafia-Beziehungsgeflechts; ein in Künstler- oder Szene-Kneipen unter den jeweils Dümmsten ihrer Generation ausgehandelter Pakt, der es einigen wenigen Künstlern erlaubt, die gesamte Stadt zu repräsentieren und alle anderen dabei außen vor zu lassen. Das dieser Cliquenhaftigkeit zugrunde liegende Prinzip war schon immer der gute alte PLURALISMUS (man muss ja schließlich als Gruppe jede Marktnische abdecken, damit sich dieser kein anderer bemächtigt – und meist gelingt dies auch). Bei der philosophischen „Wiener Schule“ bzw. dem „Wiener Kreis“ (Neopositivistische Logik; hierzu werden so komplett unterschiedliche Philosophen wie Wittgenseiten, Carnap, Popper, Neurath, erweitert sogar noch Hilbert, Einstein, Moore, Russell gezählt) war das übrigens nicht anders als bei der „Frankfurter Schule“ (Soziologie; unter deren „kritischer Theorie“ waren alle damals maßgeblichen Deppen, die sich auch untereinander spinnefeind waren, subsumiert: Marcuse (notorischer Teenager und CIA-Agent), Adorno (gescheiterter Musiker und idealistischer Möchtergern-Dichter), Horkheimer (CDU-Politiker und Universitäts-Rektor), Erich Fromm (Psychotherapeut), Habermas (liberaler Demokrat und engagierter Antikommunist) – eigentlich hätte man Heidegger auch noch mit aufnehmen können, aber der hatte sich ja leider durch Faschismus disqualifiziert) oder – im Bereich neuerer deutscher Popmusik – der „Hamburger Schule“ (so unterschiedliche Bands wie Superpunk (Dosenbier-Punkrock), Blumfeld (Protest-Schlager), Tocotronic (Teenie-Noise) und Tomte (kompletter Studentendreck).

    Gemeinsam war den Mitglieder all dieser Schulen jeweils – neben den Bars, in denen man verkehrte – lediglich die Szene-Hegemonie und selbsternannte Sprachrohr-Funktion für die noch Blöderen („Anhänger“). Das wars auch schon. Ihre angebliche Gleichartigkeit, die der Begriff der „Schule“ nahelegt, konnten sie nur durch Ungeist und Ignoranz ihrer Zeitgenossen erhalten, inhaltlich gab es da keinen Zusammenhang; es ging immer nur um das ökonomische Interesse von in die Kunstszene (ab)gerutschten Konformisten und Geschäftsmännern.

    Wo Herr Thiele oben schon präsent ist, fällt mir ein, dass er genau wissen müsste, wovon ich rede – ist er doch Gründer, Verwalter und Hegemon der Hacks-Schule.

  5. Aber das, Sie geben es ja zu, gilt nur immer für die Masse, die Mitläufer. Fast jede Schule hat Koryphäen, und von denen gilt, daß sie auch ohne den Schulbetrieb funktioniert hätten. Hegel, Marx, Brecht haben Schulen gebildet, und hätten dessen nicht bedurft. Selbst die romantische Schule, die in der Tat zum Großteil (Novalis, Schlegel usf.) aus austauschbaren, lediglich die Mode mitvollziehenden Mitläufern besteht, hatte einige Dichter, die auch ohne diese Mode hätten reüssieren können: Tieck, Hoffmann, Kleist z.B. Oder nehmen Sie die geistige Elite des 20. Jahrhunderts, die Sie erwähnen: Wittgenstein, Russell, Hilbert, Frege, Einstein und einige andere – das sind große, singuläre Erscheinungen, Felsmassive, die ganz für sich stehen. Wittgensteins Einzelgängerei ist fast schon sprichwörtlich, und nicht soziologisch, auch traditonell: Der einzige Denker, den er ausgiebig rezipiert ist, war Frege, Wittgensteins Werk ist tatsächlich eine Art Urzelle, ohne Eltern und ohne Fenster. Einsteins Ruhm gründet sich auf seine Berner Zeit, in der er nicht den geringsten Anschluß an den akademischen Betrieb hatte, und der selbst der zweifellos geselligere Russell steht doch turmhoch über langweiligen Mitläufern wie Karl Popper und seinen Wiener Spinnern, von denen ich Ihnen gern zugebe, daß da nichts als Mode dahintersteckt.

    Die Hacks-Schule entstand posthum, und obgleich ich nicht weiß, wer dazu zählen soll und wer nicht, muß man ja auch sagen, daß sie ziemlich zerspalten ist, sie zerfällt in eine linke Abweichung, eine rechte Abweichung und in Felix Bartels.

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