Kain war Ackermann, Abel Viehzüchter. Der älteste Klassenkampf der Welt, den die Bibel da so lakonisch am Anfang ihrer Menschheitsgeschichte darstellt. Und Kain, der Ackermann, gewinnt. Der Seßhafte besiegt den Nomaden, wie es geschichtlich ja tatsächlich passiert ist. Zugleich tritt mit dem verfeindeten Brüderpaar die Menschheit von der Familie zur Gesellschaft über. Wo die Liebe nicht mehr den unmittelbaren Zusammenhalt ausmacht, sondern der Einzelne dem Einzelnen als Fremder gegenübertritt und notwendig Feindschaft entsteht. Bereits die Kinder der Liebe zwischen Adam und Eva, die beiden Brüder, die ausziehen und eigene Familien gründen müssen, sind einander feind. Und Kain, der feindselige, der neidische, ist der, der siegt. Er, nicht Abel, zeugt die Nachkommen. Wir sind Kains Kinder, nicht Abels. Das ist grausam, archaisch und nur eine Handbreite über der Hoffnungslosigkeit. Gefrorene Geschichte. Realismus eben.
Die Einführung Seths, Adams drittem Sohn, erscheint wie eine späte Korrektur, ein synthetischer Mythos. Von ihm, nicht von Kain oder Abel, soll sich Menschheit herleiten, denn Noah, der zweite Adam, ist Nachkomme Seths. Die Sache ist seltsam. Nachdem von Adam an schon eine Genealogie entfaltet wurde, wird sie nun wieder durch ein Öhr gejagt. Lamechs Weissagung, Noah werde uns in unserer Mühe trösten auf dem Acker, den der HERR verflucht hat, läßt sich auf Kain, den Ackermann, beziehen (M1.4.11), aber auch auf Adam (M1.3.17). Beider Acker ist verflucht worden, wobei Kain als Verdinglichung des Adamsfluchs verstanden werden kann (M1.4.5). In beiden Fällen wäre ein Bezug zwischen Noah und Adam herstellbar. Noah, der zweite Adam, ist zugleich der bessere Adam.
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