Nov 092014
 

Das geläufige Argument manifester Antizionisten, daß die Juden infolge der Diaspora kein Volk seien und daher nie einen Anspruch auf ein eigenes Land hätten erheben dürfen, sollte in der nachvollziehbaren Absicht, diesem zweckgebunden und willkürlichen Diktum etwas entgegenzusetzen, nicht reproduziert werden. Das geschieht aber dort, wo vom erfundenen Volk der Palästinenser geredet wird. Richtig ist, darauf hinzuweisen, daß die Verwandlung der Araber in die Palästinenser Ende der sechziger Jahre ein doppelter Propagandakniff Arafats war. Erstens sollte die arabische Bevölkerungsgruppe mit der Region verschmolzen werden, indem nicht mehr zwischen Juden und Arabern in Palästina, sondern zwischen Palästinensern und Juden in Palästina unterschieden wurde. Bereits im Namen also wurde der Vorrang beim Anspruch aufs Land kenntlich gemacht. Zweitens ging es darum, die palästinensischen Araber östlich des Jordans, die ihren eigenen Nationalstaat schon 1923 (und zwar fast 80% des ursprünglichen Mandatsgebietes) erhalten hatten, von denen westlich des Jordans zu trennen, weil sich natürlich Terror im Namen eines Volks, das nach wie vor keinen eigenen Nationalstaat hat, leichter propagieren läßt als im Namen einer Bevölkerungsgruppe, die bereits einen Staat bekommen hat und nun einen zweiten fordert. Der Teilungsplan von 1947 bezog sich von vornherein auf die verbleibenden 20% Prozent des historischen Palästina, und noch die Hälfte dieser 20% waren in der Frage, wieviel an die jüdische Seite abzutreten sei, der Arabischen Liga genau 10% zu viel.

Dennoch muß das Argument der erfundenen Palästinenser auf seine Struktur hin betrachtet abgelehnt werden. Es befördert völkisches Denken, indem es einer Gruppe einen künstlichen Charakter unterstellt, ganz so, als ob nicht letztlich jede Gruppe, die sich Volk nennt, eine künstliche Bildung wäre, eine kollektive Selbstzuschreibung, die aus der Gewohnheit (Sprache, Bräuche, Religionen, Genealogien oder territoriale Bindung) ihre Rechtfertigung zieht. Das innere Bekenntnis des Völkischen beruht auf der Unterscheidung von natürlichen und künstlichen Völkern. Der Hinweis auf die Erfindung der Palästinenser kann also vernünftigerweise nur dem Nachweis dienen, daß die üblichen doppelten Standards angewendet werden, wo den Juden einerseits ein künstlicher Charakter vorgeworfen, den Palästinensern anderseits aber ein Naturcharakter verliehen wird.

Die Weltgeschichte leistet sich gelegentlich ironische Wendungen. Hier insofern, als sich ohne jede Polemik sagen läßt, daß die israelische Besatzung der Geburtshelfer des palästinensischen Volks war. Ihr erst haben die Palästinenser zu danken, sich als kollektives Ich darstellen zu können. Zuvor wurden die Araber der Region Palästina nicht unterschieden, weder im Osmanischen Reich noch unter den Briten noch in den Besatzungen Jordaniens und Ägyptens.

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