Dez 312013
 

Das Begreifen von Theorien, die man nicht selbst ersonnen hat, läßt sich dem Betreten eines unbekannten Raums vergleichen. Räume haben es an sich, daß sie sich von innen besser beurteilen lassen als von außen. Von außen her mag man ihren Standort, vielleicht auch ihre Ausdehnung besser einschätzen können, doch was und zu welchem Zweck sie sind, auch, wie gut sie diesen Zweck erfüllen, erkennt man an dem, was in ihnen enthalten ist, und das wieder läßt sich nur sehen, wenn man sie betreten hat.

Zum Betreten eines Raumes bedarf es einer Tür, und da die meisten Türen Schlösser haben, wird man auch einen Schlüssel brauchen. In aller Regel befindet sich dieser Schlüssel aber in dem Raum, den er öffnen soll, so daß die Erstbegehung in aller Regel als Einbruch vonstatten gehen muß, und man kann von Glück sagen, wenn man bloß die Tür und nicht gleich eine Wand aufbrechen muß.

Manche Räume haben mehrere Türen, doch weil die Metapher nicht in der Welt der Elementarteilchen spielt, ist es unmöglich, den Raum durch mehrere Türen zugleich zu betreten. Man kann ihn natürlich, nachdem man ihn betreten hat, wieder verlassen und durch eine andere Tür erneut eintreten, doch dann kennt man ihn bereits. Wenn man allerdings einen bestimmten Raum durch eine bestimmte Tür betritt, ist es unvermeidlich, den Raum zunächst vollkommen aus der Perspektive jener Tür wahrzunehmen. Man sieht also zunächst nicht alles gleichscharf, manches ist verdeckt, einiges sehr nahe, anderes weit entfernt. Doch eine Tür bestimmt nur, von wo aus man einen Raum betreten muß – wohin man als nächstes geht und durch welche Tür man ihn wieder verläßt, kann derjenige, der durch sie eingetreten ist, selbst entscheiden. Man kann also den Raum von so vielen Perspektiven aus unter Besichtigung nehmen, wie sich Punkte in ihm finden, einschließlich derer, die man gehabt hätte, wenn man den Raum durch etwaige andere Türen betreten hätte.

Sicher gibt es auch Räume, die bloß von außen schön sind. Solche, die nur dazu geeignet sind, an ihnen vorüberzugehen. Nur welche das sind, weiß man ja dummerweise auch erst, wenn man sie einmal betreten hat. Wie immer also, man kommt um das Betreten des Raums nicht herum. Vielleicht liegt darin der Grund, daß die Menschen kaum etwas weniger gern tun, als die Räume, über die sie urteilen, auch zu betreten.

Sorry, the comment form is closed at this time.