Mai 012014
 

Wer die Bezeichnung »Tag der Arbeit« verwendet, sollte wissen, was er da tut. Der 1. Mai wurde Ende des 19. Jahrhunderts, ausgehend von Generalstreiks in den USA, als »Kampftag der Arbeiterklasse« begründet. Damit war gesagt, dass es nicht um den abstrakten Begriff der Arbeit geht, dem ja schon Marx immerhin den historisch-konkreten Begriff der Produktion entgegengesetzt hat, sondern um die Menschen, die dahinter stehen. Um deren Bedürfnisse und Rechte. Etwa das auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf 8 Stunden und angemessene Bezahlung. Nicht um die Arbeit also, sondern um den Schutz des Menschen vor der Arbeit.

Es waren die Nazis, die diesem Tag den schmierigen Mythos der Arbeit überstülpten, und die Stoßrichtung der Arbeitsideologie richtet sich immer gegen zwei Feindbilder: einmal gegen die Erscheinungsformen des fiktiven Kapitals, das als raffendes aus der Arbeitsgemeinschaft (Industriekapitalist + Arbeiter) ausgestoßen wird, und zum anderen gegen jegliche Formen der Muße, Faulheit oder Unfähigkeit zur Arbeit, die als asoziale Elemente ebenfalls von der Arbeitsgemeinschaft separiert werden. Eine Koproduktion der Firma Rosenberg & Hugenberg.

Die Bundesrepublik hat mit ihrer Sprachregelung an die Tradition des Nationalsozialismus angeknüpft und die des Gewerkschaftskampfs links liegen lassen. Doch auch wenn man die zur Bildung der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft nötige Selektion nicht vollzieht und den »Tag der nationalen Arbeit« auf den »Tag der Arbeit« reduziert, bleibt der ideologische Kniff bestehen: die Behauptung einer produktiven Einheit von Arbeitern und Kapitalisten, durch welchen Kniff die Benachteiligung ebenjener Menschen ermöglicht wird, die für das Kapital arbeiten. Oder nicht arbeiten. Denn eben das ist das eigentümliche am Kapital, dass es, obgleich selbst nicht produktiv, den Menschen auf seine Fähigkeit zur Arbeit reduziert und selbst den Arbeitslosen nicht anders als als Arbeiter (einen potentiellen nämlich) zu fassen vermag. Das Ideologem der Sozialpartnerschaft, das aus dem Arbeitsmythos folgt wie der Brechreiz aus der sauren Milch, verhindert damit sowohl die Emanzipation des Menschen vom Kapitalismus als auch die von der Arbeit.

Katja Kipping hat heute vorgeschlagen, den »Tag der Arbeit« künftig »Tag der Gerechtigkeit« zu nennen. Das klänge nach einer Verbesserung, wenn es nicht so schrecklich unpoetisch wäre. Der Begriff der Gerechtigkeit lässt sich wohl als politische Zielsetzung bestimmen, als volkstümliche Losung ist er aber von einer Banalität und Unverbindlichkeit, dass er bestenfalls geeignet ist, seinerseits Sozialpartnerschaft unvereinbarer Elemente zu stiften. Doch Kippings Losung passt zum geschäftsmäßigen Sound der PDL, in der eine Vorsitzende gern mal unter Beschuss gerät, weil sie sich Gedanken über Wege und Möglichkeiten des Kommunismus gemacht hat. In der die Angst herrscht, sich mit dem, was man will, verdächtig zu machen, und wo sich folglich eine Klemmsprache entwickelt hat, in der man »Arbeitgeber« statt »Kapitalist« oder, zwei Marx-Stellen (MEW 4, 482 & 23, 92) verquickend »Assoziation freier Menschen« statt »Kommunismus« sagt.

Den Ausgang aus diesem Chimärenhain findet, wer einsieht, dass die Wahl zwischen Arbeits- und Angstschweiß keine ist.

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