Jan 202015
 

Ich nehme die Frage mal ernst. Warum ist dieses Bild so reizvoll wie reizlos? Was erwartet man denn von einem Kunstwerk? Es muß ja nicht gleich die Wirklichkeit sein, die es abbilde, aber es sollte doch etwas abbilden, und das Makellose ist beinahe ebenso langweilig wie das Vorzugslose. Die Ästhetik, die hier vorgestellt wird, ist eine negative. Schönheit wird nicht als Vorhandensein von Vorzügen gedacht, sondern als Abwesenheit von Makeln. Das ist der Grund, aus dem diese antik sein wollende Skulptur nicht nur unverkennbar nicht antik ist, so daß keiner auf die Idee käme, sie könne etwas anderes sein als von einem zeitgenössischen Nachahmer hergestellt, sondern auch an maschinelle Verfertigung erinnert mit seinem Mangel an Besonderheit, an deren Stelle das Stereotyp tritt – ein urbanes Pendant des röhrenden Hirschs, Kitsch mit Titten. Es ist die Ästhetik der Cosmopolitan, es ist zu sexy, um schön zu sein. Das glatte Gestein gestattet keine Furche, keinen Riß, keine Struktur, in die der Zuschauer seine Widerhaken bringen kann. Die Gesichtszüge, ohne Besonderheit und ausdruckslos wie ein Fisch an Land, fügen sich diesem Prinzip vollauf. Es gibt keine Individualität ohne Besonderheit, und Besonderheit erlangt nicht, wer durchgängig im Metrischen bleibt. So wird Maß zum Mittelmaß. Wie ein Musikstück ohne disharmonische Momente, wie ein dramatischer Held ohne Hamartia, wie eine Pointe ohne Trottel.

Cosmo-Kunst

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