Dez 272015
 

Ich habe gerade rückblickend die Filmstarts dieses Jahres überflogen. Ich finde es schwach wie lange keines. Eingeschlossen einen Bond, der schon dadurch enttäuscht, dass er hinter den gut etablierten Stil der jüngeren Filme zurückfällt und wieder an die dümmliche Blofeld-Ästhetik der frühen Jahre anknüpft. Und einen Star Wars, den man vermittels Nullideen auferstehen ließ, wie etwa des noch-noch-größeren Todessterns oder des Zurückholens bekannter Gesichter und Motive mit der Brechstange, während die Fabel dem Zuschauer durch die Hirnlappen flutscht, da sie keine Widerhaken und nichts Besonderes hergibt. Eingeschlossen auch »Bridge of Spies«, der einen hervorragenden Ansatz ab etwa der Hälfte der Handlung grandios verspielt, sobald der Anwalt nämlich als Unterhändler in Ostberlin eintrifft, wo alle so unfassbar flach und falsch wird (mit Winterwetter am 13. August und anderen Späßen), dass man die DDR-Episoden von MacGyver noch vorzöge. Selbst der Antikommunismus war schon mal unterhaltsamer.

Bemerkenswert, soweit ich sehen kann, d.h, gesehen habe, scheinen mir fünf Filme. »The Imitation Game« und »Jurassic World« zunächst; beide mit genuinen, gattungsbedingt verzeihlichen Schwächen. Dann »Margos Spuren« und »Alles steht Kopf« als Glücksfälle des Kinderkinos. »Imitation Game« z.B. verliert, indem es Biographie sein will, das aber nicht wirklich werden kann, weil bei Alan Turing der erzählerische Akzent sehr stark auf der Kriegszeit liegen müsste. So anrührend Turings spätere Geschichte ist, so aufschlussreich, dass man ihn seiner Homosexualität wegen verfolgt hat – entweder erzählt man diese Geschichte ausführlich, oder man lässt es. »Jurassic World« ist dagegen ein routiniertes Stück Unterhaltung, das nicht besser sein könnte, als es ist, aber genau deswegen auch gleich wieder vergessen werden darf. »Margos Spuren« geht deutlich über das hinaus, was man eine Teenagerkomödie nennen kann, obwohl es natürlich trotzdem eine ist. Es handelt von der Frage, ob man eine Idee lieben, die man zugleich nie besitzen kann, also davon, dass eine Utopie sich unvermeidlich an einem konkreten Stoff darstellt, was zur Verzerrung beider, des Stoffs wie der Idee, führt. »Alles steht Kopf« schließlich erzählt, sehr einfallsreich und gar nicht mal so inkonsistent, die Geschichte des Zustandekommens einer kindlichen Seele – weiser, schöner und interessanter als psychoanalytischen Thriller und Lehrbücher zusammengenommen.

Im höchsten Sinne herausragend, als wirkliches Meisterwerk, sehe ich 2015 nur »The Martian«. Ein Defoe für den Weltraum, doch ergänzt durch eine Handlung auf der Erde, die mehr ist als bloß der für die Rettung notwendige Teil der Gegenseite, die nämlich die Frage behandelt, was ein Menschenleben wert ist und zu einem entschiedenen Ergebnis kommt. Die Bilder sind eindrucksvoll, die Dia- und Monologe so witzig wie intelligent, die Figurendarstellung feinsinnig, und alles ist so gut erzählt, verzögert und beschleunigt, dass keine Minute Langeweile entsteht.

Ich zögere etwas, vom Klassiker zu sprechen, weil das ja eines jener Futur-II-Urteile wäre, die man immer erst geben kann, wenn sie schon Tatsache sind und keiner sich mehr um das Urteil des Offensichtlichen schert. Obwohl es in den letzten Jahren natürlich Schwerverdächtige gab. 2014 hatte das »Grand Budapest Hotel«, 2012 »Lincoln«, 2011 »Moneyball« & »Tinker, Tailor, Soldier, Spy«. Wenn die einmal als kanonisch gelten werden, dann sollte der »Marsianer« es ebenso geworden sein werden. Wenn man über 2015 hinaus die guten Filme der jüngeren Zeit aufzählt, stellt man fest, dass es so schlecht um die Kunst gar nicht steht. Eigenartigerweise haben die technische Entwicklung und die damit verbundenen Möglichkeiten, durch Äußerlichkeiten Eindruck zu schaffen, die Schreiber und Regisseure nicht fauler gemacht. Ich sage das, weil es dafür eigentlich keine Erklärung gibt. Außer vielleicht der, dass sich manchmal eben doch mehr als nur zwei Menschen in einem Raum treffen, die freiwillig härter arbeiten, als sie unbedingt müssten.

Jüngere Mitbewohner meines Haushalts legen Wert auf den Feststellung, dass der Film des Jahres die »Minions« sind.

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