Apr 272017
 

Sigmar Gabriel, der in Israel auf genau die Weise gedemütigt worden ist, die er verdient und nebenbei gesagt auch provoziert hat, dieser Gabriel hat jetzt nachgelegt: »Sozialdemokraten waren wie Juden die ersten Opfer des Holocaustes«, lässt er sich in der Frankfurter Rundschau vernehmen. Es gibt Dinge, die bringt nur er fertig. Sich auf Reise in Israel mal eben als Mit-Opfer des Holocausts ins Gespräch bringen zum Beispiel, und mit Rücksicht auf die ihm (nicht nur in diesem Zusammenhang) eigene Chuzpe muss man fast dankbar sein, dass er nicht noch »wie übrigens auch die« geschrieben hat.

Das Zitat geht noch weiter und zeigt, dass Gabriel die damit ausgeprochene Verniedlichung eines Völkermords ganz bewusst ist: »Die einen waren Opfer politischer Verfolgung, die anderen des Rassenwahns.« Er weiß also um den Unterschied zwischen einer politischen Verfolgung und einer, die auf solche Eigenschaften zielt, die das Opfer auch beim besten Willen nicht ablegen kann. Er weiß es, und setzt es dennoch gleich. Ob er auch den Unterschied zwischen einer systematischen Vernichtung und einer Internierung in Arbeitslagern mit zahlreichen begleitenden Toten kennt, geht aus der Stelle nicht hervor.

Wer den Holocaust pluralisiert, um seinem Opferneid darin Befriedigung zu verschaffen, der handelt ganz folgerichtig, wenn er späterhin Israel unterstellen wird, selbst Völkermord zu betreiben, oder den Begriff der Apartheid ins Spiel bringt. In letzterm Stadium befindet sich Gabriel schon längst. Wohin die Reise noch gehen mag, kann er bei Dieter Hallervorden lernen. Das impulsive Gemüt des Ministers mag ein wenig drüber wegtäuschen, sein Gerede und seine Geschäfte haben Logik. Es sagt ja keiner, dass Syllogismen immer gefallen müssen.

Übrigens führt dieser große Skandal noch einen kleineren mit sich. Denn nicht einmal unter den Opfern der bloß politischen Verfolgung waren die Sozialdemokraten die ersten. Als die SPD-Fraktion im März 1933 zur Abstimmung gegen das Ermächtigungsgesetz im Reichstag erschien, und diese Abstimmung also durch ihr Erscheinen legitimierte, waren die kommunistischen Abgeordneten bereits ermordet, inhaftiert oder abgetaucht. Opfer sein ist kein Wettbewerb. Nur, Gabriel steht hier in einer eingespielten Tradition, es genau so zu handhaben. Persönlich daran ist allenfalls die Leistung, so viel Lüge in so wenig Worte gebracht zu haben.

Nichts ist neu. Man kennt diese Detonationen von Politikern der SPD. Dieses abrupte, jähzornige Behaupten gegen jede Evidenz. Man muss verstehen, dass es nicht leicht ist, Sozialdemokrat zu sein. Dass es nicht leicht ist, im Kopf ein Leben zu führen, das dem Leben, das man tatsächlich führt, in jeder Hinsicht widerspricht.

»Wo eine politische Bewegung derart korrumpiert und verdorben ist wie die Sozialdemokratie, wo also keine Relativierung, keine Entschuldigung, keine Neuerfindung irgendwas helfen könnte, bleibt nur noch der Weg, simpel das Gegenteil dessen zu behaupten, was vorliegt.

Wir sind jetzt in der Lage, eine abschließende Definition der Sozialdemokratie geben zu können. Eine, nach deren Erledigung nichts mehr zu erledigen bleibt. Eine, die ebenso einfach und abschließend ist wie die Wahrheiten von Jebsen und Steinmeier: Sozialdemokratie ist der vollständige Verlust von Scham.« (Mai 192014)

  One Response to “Holocäuste im Angebot”

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