Mai 112017
 

Die Empörungskultur, ihr Pendant und ein Ausweg

[Vortrag, gehalten in Trier am 25. April 2017]

In einem Zeitalter, in dem die Produktionsverhältnisse bloß Krach machen, doch nicht mehr in Bewegung sind, worin kein Systemkampf die Welt umspannt, keine Umwälzung sich abzeichnet und die Krise tatsächlich bloß Anzeichen der immanenten Barbarei des Kapitals ist, scheint wie zur Kompensation dieser Unbeweglichkeit im Materiellen das gesellschaftliche Bewusstsein stärker in Bewegung als je. Das gesamte Bezugssystem gesellschaftlicher Bekenntnisse mit seinen ideologischen Zuordnungen ist auf dem Weg – und weiß nicht wohin. Was einmal zusammengehörte, trennt sich. Was getrennt war, verschmilzt. Das überbordende Gerede von Querfronten, teils zu Recht, teils nicht, drückt diesen Zustand aus. Die Empörungskultur ist ein Gewächs in diesem Biotop. Was macht sie aus? Was treibt sie an? Und warum geht bei ihr die Forderung nach äußerster Emotionalität mit der Überzeugung zusammen, dass man im Besitz der Wahrheit ist?

In den Bewegungen der Empörung – von den Mahnwachen bis Pegida, den Datenschützern bis Occupy – hat die Ideologiekritik ein dankbares Thema. Doch sie versagt an der Empörung auf andere Weise, weil auch sie ein Milieu bildet und damit die Eigenheiten des Volkstümlichen nicht fernhalten kann. Indem Ideologie stets Plural gedacht werde sollte, denn Ideologien sind partikuläre Antworten innerhalb eines gesellschaftlichen Ganzen, ist bei der Ergründung der Empörungskultur mehr gewonnen, wenn man sie in Beziehung zu ihren Gegenbewegungen setzt.

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