»Fishermanʼs Friends«
Dass all das tatsächlich passiert ist, macht die Story nicht besser. Weder als Geschichte noch als Gefäß für Gedanken. Sie ist nicht wahr, bloß real, und da nichts von Belang befördert wird, hätte sie wenigstens gut erzählt sein können. Man versteht einiges, wenn man erinnert, dass die Autoren Nick Moorcroft und Meg Leonard bereits das Drehbuch zu »Tanz ins Leben« (2017) verfasst haben, worin Harm- und Belanglosigkeit ineinandergreifen und es ebenso wie hier darum geht, sich auf die wahren Werte des Lebens zu besinnen, die nicht in Reichtum oder Reputation liegen können. Wenn »Fishermanʼs Friends« etwas besser geraten ist, liegt das vor allem am bespielten Milieu und der unkompliziert-schönen Musik. Wer Shanty nicht kennt, hat das Leben verpennt. Allein, das reicht nicht hin für einen Film von fast 2 Stunden.
Ein Junggesellenabschied führt den Londoner Musikproduzenten Danny (Daniel Mays) mit zwei Freunden und seinem Vorgesetzen Troy (Noel Clarke) in das Dorf Port Isaac im Südwesten Englands. Beim Stand-up-Paddling geraten sie in Seenot und werden von ein paar Fischern gerettet. Am Tag darauf hört Danny die Fischer singen und plant mit Troy, den Shanty-Chor groß zu vermarkten. Lange wirbt er um die Sänger, ehe der misstrauische Jim (James Purefoy), zugleich Anführer der Gruppe, sein Placet gibt. Als Danny erfährt, dass die Sache für Troy bloß ein Spaß ist, macht er sich selbständig und hat nun gegen sein ehemaliges Label kämpfen, das den Erfolg des Chors zu verhindern sucht. Danny zieht in der von Jims Tochter Alwyn (Tuppence Middleton) geführten Pension ein. Beide kommen sich näher, und überhaupt findet Danny immer mehr Gefallen an der Lebensweise der Fischer. Ein gut gemeinter Rat gefährdet den als Herzstück des Dorfs betrachteten Pub; Danny wird verstoßen und muss sich nun ordentlich ins Zeug legen, das verlorene Vertrauen zurückgewinnen. Am Ende wird alles gut. Aus den singenden Fischern werden fischende Sänger, es regnet Geld und Chartplatzierungen, Danny gewinnt Alwyns Herz zurück, der Pub ist gerettet, und Bösewicht Troy guckt wie ein frischgeficktes Eichhorn in die Kamera. Noch ein Kuss. Alle lachen. Abspann. Ach ja: Spoileralarm.
Die einzige Überraschung ist, dass wirklich nichts Überraschendes geschieht. Das Schema kommt von der Stange, die eingeflochtene Lovestory wirkt trotzdem wie ein Fremdkörper, und das Gegenspiel ist so lieblos entwickelt, dass die Autoren permanent Konflikte generieren müssen, wo gar keine sind.
In deutscher Landschaft hätten wir keine Probleme, das Gezeigte als Heimatfilm zu identifizieren. An England klebt bei all dem immer noch etwas Liebenswertes. Man schmeckt die giftige Note kaum. Aber sie ist da. Hier plätschert das gemütliche, ursprüngliche Leben. Fischer fischen, Sänger singen, der Pub ist wie das Wohnzimmer des Dorfs, alles bleibt schrullig und irgendwie nice. Weit entfernt sind Fangquoten und EU-Regularien, die Verödung der ländlichen Regionen, die Not, aus leergefischten Meeren überleben zu müssen. »Fishermanʼs Friends« passt in die jüngere Welle britischer Filme, die, teils das Vergangene glorifizierend, teils das Gegenwärtige romantisierend, die Unsicherheit der Nation nach dem Brexit bewältigen. Ob man dafür war oder dagegen, es beruhigt zu wissen, dass im Herzen Englands und den Tiefen seiner Vergangenheit etwas Unkaputtbares ruht, worauf sich zurückkommen lässt. Dass die fischende Boygroup bei einen TV-Auftritt zur Verblüffung der Anwesenden die Nationalhymne anstimmt, ist dann ganz folgerichtig.
Nur ein bissl Kritik muss schon sein, Bildungsauftrag und so. Dann gerät das Unbehagen am Kapitalismus zum zivilisationskritischen Klischee. Hier, wo noch das wahre Leben vor sich hin schnauft, findet man das Glück, das zwischen teuren Autos und Londoner Apartments verlorenging. Die Botschaft ist besonders dumm, wenn man berücksichtigt, was die Fischer den Film über tun. Sie jagen eben dem Reichtum und der Anerkennung hinterher, auf die es doch gar nicht ankomme. Die Möglichkeit, hieraus eine freiwillig unfreiwillige Satire zu machen (wie das geht, hat Verhoeven in »Starship Troopers« gezeigt), wurde dem guten Gewissen zuliebe fahrengelassen.
Der einsame Lichtblick im Ensemble bleibt James Purefoy, der einen für ihn ungewöhnlichen Charakter bewältigt und erstaunlich gut singen kann (wenn er denn selbst gesungen hat). Der Film besitzt, zugegeben, seine Momente: wunderschöne Lieder, die Behagen schaffen, ohne Spuren zu hinterlassen, und einen Korb voll netter Situationskomik. Schade, dass so viel Handlung dazwischen ist.
»Fishermanʼs Friends«
Großbritannien 2019
Regie: Chris Foggin
Drehbuch: Nick Moorcroft, Meg Leonard, Piers Ashworth
Darsteller: Daniel Mays, James Purefoy, Tuppence Middleton
Länge: 112 Minuten
Starttermin: 8. August 2019
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in: ND v. 8. August 2019.
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