Feb. 032014
 

Die Debatte um Markus Lanz, die mich schon (hier & hier) beschäftigt hat, ist ziemlich schnell zur Übersprungshandlung geraten. Es gab eine Chance, an ihr Bedeutendes abzuhandeln. Man hätte reden können über den vom Moderator zur Schau gestellten aggressiven Konformismus, der – wie weiland, als man die vaterländische Frage noch offen stellte – Sahra Wagenknecht ein Bekenntnis zu Europa abverlangte. Eine Auskunft ungefähr so sinnvoll wie: Ich bekenne mich zum Winter; und ganz offenkundig getragen von einer edel-simplen Auffassung des abendländischen Kulturerbes, das doch in Wahrheit Continue reading »

Jan. 312014
 

Man weiß, daß die Talsohle einer Debatte erreicht ist, wenn Josef Joffe sich an ihr beteiligt. Dieser arme, alte und dennoch stets ambitionierte Mann, dessen Texten anzumerken ist, daß er mit jeder Formulierung gekämpft hat, liegt immer falsch, selbst dann, wenn er, wie weiland in der Angelegenheit um Grass, versehentlich auf der richtigen Seite steht. Aber meist steht er auf der falschen Seite, weil er ein Drei-Groschen-Junge des bundesdeutschen Spätkapitalismus ist, der die Drei-Groschen-Märchen dieser Gesellschaft tatsächlich glaubt. Die dadurch entstehende Kluft zwischen ihm (Joffe) und den Tatsachen muß logischerweise überbrückt werden, und da Josef Joffe nie was einfällt, fallen ihm meistens doch die Nazis ein. Continue reading »

Jan. 132014
 

Gedichte, Zeichnungen, Malerei, aber keinen neuen Roman mehr: Literaturnobelpreisträger Günter Grass hat in einem Interview angekündigt, wohl kein großes Prosa-Werk mehr zu schaffen. Sein hohes Alter  . . .

 

Mit letzter Lippe schnell
noch ein Versprechen. Denn
die flinke Tinte ist ihm ausgegangen.
Unsere Freude aber ist Continue reading »

Jan. 072014
 

Der Unterschied zwischen Neid und Gier scheint bloß äußerlich. Der Gierige ist ein Neidischer, ohne es sein zu müssen. Er will mehr, als er braucht, und begehrt, was ein anderer hat. Der Neidische begehrt ebenfalls, was ein anderer hat, und will ebenfalls mehr, als er braucht. Das bloße Bedürfnis schafft weder Neid noch Gier, von denen sich erst sprechen läßt, wenn das Wollen über den individuellen Grund hinausgeht. Continue reading »

Okt. 192013
 

Ich habe nichts gegen die Linke. Ich habe vielleicht was gegen die Linken. So genau weiß ich das nicht. Ich bin ja selbst einer, aber ein genervter. Die Linken, finde ich, dürften ruhig etwas linker sein. Ihr eigentümlicher Mangel – die Unfähigkeit, mit dem Bestehenden zurechtzukommen – hat sich in ein penetrantes Arrangement mit den plattesten Umständen der Gegenwart gewandelt, doch sie wären keine Linken, wenn nicht selbst dieser bedingungslose Pragmatismus noch auf ganz dogmatische Weise vollzögen würde. Continue reading »

Sep. 252013
 

Juli Zeh, das Ich & die Wiederkehr des deutschen Imperialismus

»Wieso scheint das kaum einen zu interessieren?«, fragt anlässlich des NSA-Skandals die Frankfurter Rundschau eine Schriftstellerin namens Juli Zeh.[i]

Es ist doch gut, dass es Zeitungen gibt, die solche Fragen stellen, denn wahrscheinlich ist die NSA das am wenigsten behandelte Thema dieses Jahres – gleich nach dem Nahostkonflikt und der Bundestagswahl. Und es ist gut, dass es Menschen gibt, die sich der Beantwortung solcher Fragen stellen. Rauskriegen, was der Grund für einen vorliegenden Zustand ist, kann jeder Idiot. Die hohe Schule ist, nach den Gründen für Zustände zu fragen, die nicht vorliegen. Und was nun, Frau Zeh, ist der Grund, aus dem der NSA-Skandal keine Sau aufregt? Continue reading »

Aug. 292013
 

Thieles gestriger FAZ-Artikel, in dem er mich und andere über-, unter- oder beiordnet, hat mich von der Arbeit abgehalten. Ich denke, da stimmt was nicht. Er teilt, es zusammenzufassen, die Zeitgenossen, die sich positiv auf Hacks beziehen, in drei Gruppen ein: Imitatoren, Dogmatiker und Denkende. Imitatoren, die einen bloß intuitiven Zugang zu Hacks haben und allein an der poetischen oder weltlichen Haltung des Dichters interessiert sind; Dogmatiker, die den reinen, den wahren Hacks gleich einer Säule in die Landschaft stellen und ihn gegen jegliche Anwürfe von außen verteidigen; und Denkende, die die affirmative Aneignung des Dichters durchlaufen haben, doch über ihn hinausgegangen sind. Modelle müssen ja gar nicht bis ins letzte stimmen, aber sie sollten arbeitsfähig sein. Thieles Einteilung ist in sich stimmig, büßt aber bei der Reichweite. Continue reading »

Aug. 242013
 

Anmerkungen zur TSG Hoffenheim

Reflexionen sind ja nie nur angenehm. Ständig diese quälende Frage, ob man tun darf, was viel zu viel Spaß macht, um ganz frei von Regression sein zu können, und bangen Blicks also schreitet er, der denkende Fußballfan, aus der Kurve ins Leben zurück und stellt sich zeigefingergeplagt dem großen Problem: Darf man die TSG Hoffenheim hassen? Darf man diesen anmaßenden, seelenlosen und überflüssigen Verein abgrundtief scheiße finden? Darf man ihm die Zwangsversetzung in die Oberliga Baden-Württemberg wünschen? Darf man dürfen? Continue reading »

Aug. 102013
 

Georg Diez begründet eine gute Entscheidung mit einem weniger guten Text. Ich hatte Mühe, wach zu bleiben; zudem ist seine Prämisse erkennbar falsch:

»Denn was sollen Wahlen in einem System, das nur noch als Schrumpfform der Demokratie zu erkennen ist?«

Jede Wahl, jede Form demokratischen Betriebs ist in sich paradox und läuft zwingend auf die eigene Auflösung hinzu. Und das nicht nur dort, wo es an hervorragenden Politikern fehlt, sondern gerade auch in den scheinbaren Sternstunden der Demokratie. Man liest Thukydides und sieht, daß Perikles der erste Bonapartist der Weltgeschichte gewesen ist. Und genau, weil er das war, lief der Laden. Die Demokratie muß sich Continue reading »

Juli 042013
 

Die Romantik, jenes wildwuchernde Gewächs, das das Denken befällt und einen Zustand scheinbarer Aktivität bewirkt, der zu nichts führt und dennoch schrecklich anstrengend ist – nicht fruchtbar, aber furchtbar –, diese Romantik hat viele Gesichter. Sie gehört nicht einer politischen Richtung allein, sie hat an allen teil. (An manchen ist sie die Hauptsache, bei anderen unvermeidliche Begleiterscheinung.) Es gibt nie nur eine romantische Antwort auf die Weltlage.

Der Romantiker liebt es, sich vorzustellen, er sei der Gute, und da er – wie auch sonst keiner auf der Welt – nicht durchweg gut sein kann, braucht er konsensfähige Negativobjekte, gegen die er sich erhaben machen kann. Wer immer es sei: Banker, Sozialschmarotzer, Umweltschützer, Israel, USA, China, die GEMA, das staatliche TV, Dieter Graumann, Margot Käßmann, kriminelle Jugendliche, Natascha Kampusch oder oder oder.

Die NSA ist eine Organisation, an der nichts auszusetzen ist. Sie macht einen ordentlichen Job. Ich billige Continue reading »

Juli 032013
 

Γνῶθι σαυτόν

Die … ja doch, man darf wohl sagen: Causa Franziska Augstein[1] verdient eine generelle Betrachtung. Natürlich hat F. Augstein ebenso wie J. Augstein den Vorwurf, sie sei, was sie ist, von sich gewiesen. Sie teilt die Auffassung ihres Bruders, dass der wahre Antisemitismus der bekennende ist und Verdächtigungen gegen ehrbare Personen wie sie bloß vom Kampf gegen diesen eigentlichen Antisemitismus ablenken. Das klingt so nass wie forsch, nur: Man trifft ihn nie, den wahren Antisemitismus. Denn abgesehen von Hotte Mahler, Pierre Vogel und einer Handvoll Ufologen gibt es kaum noch bekennende Antisemiten in Deutschland. Wir leben in einem Land, in dem die Angst vor dem inflationären Gebrauch des Antisemitismusvorwurfs größer ist als die Angst vor dem Antisemitismus, und diese Haltung ist eigentlich nur dort möglich, wo man annimmt, dass der Antisemitismus genau wie die Pocken und der Haarnasenwombat praktisch ausgestorben ist. Continue reading »

Juni 182013
 

Sie ist die Sahra Wagenknecht der Springerjugend. Eine als Stil-Ikone gehandelte Durchschnittspropagandistin, die den Jargon der ihr übergeordneten Bewegung flüssig genug beherrscht, um deren Wortführerin zu sein. Doch weil sie einmal so fleißig war, eine geistig verwirrte Frau zu stalken, deren Auskommen auf der Lebenslüge beruht, sie sei Lyrikerin, darf sie jetzt regelmäßig auf Broders Toilette publizieren.

Man lese ruhig einmal ihre Texte. So klingt es, wenn Ambitioniertheit auf Unfähigkeit trifft. Das sprachliche Unvermögen (»meine Irritation wurzelt eine Ebene tiefer« usw.) sei geschenkt, da nun wirklich niemand in dieser Hinsicht etwas von ihr erwartet. Erklärlich immerhin auch die Abwesenheit von wenigstens etwas Continue reading »

Mai 242013
 

In jeder Familie gibt es eine Tante, die die Feiern mit sich und ihrem hysterischen Narzißmus vollmacht. Sie verteilt staubige Kekse und dünkt sich darob als Wohltäterin, obwohl keiner die essen will und Zuneigung als Gegengabe verlangt ist. Sie hält sich, gleichsam emotionaler Scheitelpunkt und moralischer Taktgeber, für das Herzstück der Sippe und will unablässig alle in bierzeltselige Eintracht miteinander bringen, ohne zu bemerken, daß sie selbst die triftigste Ursache für den sich fortsetzenden Unfrieden ist. Wir alle haben so eine Tante; sie heißt Martha, Gertrud oder Günter. Wir alle Continue reading »

Apr. 102013
 

Indeed, Alan Posener, she was a great revolutionary. A great counter revolutionary.

Dumm an Facebook ist, daß man immer viel mehr mitbekommt, als man mitbekommen will. Es war zu erwarten, daß die Fellows der neokonservativ-neoliberal-neorechten Neoneoneo-Bewegung im Fall Thatcher ganz besonders ihre Chance wittern, das zu tun, was sie immer tun wollen: sich mutig gegen den (wenigstens in ihren Köpfen bestehenden) mächtigen Konsens der Unmächtigen stellen, im Gewand der Rebellen das sagen, was ohnehin dauernd gesagt wird, ohne daß es den geringsten Mut erfordert, da es die etablierten Verhältnisse nicht angreift, sondern stützt, und niemand befürchten muß aus derartigen Rebellionshandlungen in irgendwelche Nachteile zu geraten. Es war also zu erwarten, daß sie sich tief vor Maggies Lebensleistung verbeugen und sich, Wutbürger von oben, die sie einmal sind, entrüstet über jeden Witz zeigen werden, der über den Tod dieser bösartigen alten Frau gemacht wird, die ganz unabhängig von dem, was der Kapitalismus ohnehin schon anrichtet, verantwortlich ist für einen beispiellosen Prozeß der Verarmung, Isolierung und Dämonisierung nicht unbeträchtlicher Teile der britischen Gesellschaft.

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Jan. 202013
 

»Die zurückliegenden Wochen haben bewiesen: Jakob Augstein führt ganz Deutschland am Gängelband und gefährdet den ohnehin brüchigen Landesfrieden. Wenn er anruft, beugt das Feuilleton seinen Willen. Die Angriffe durch Broder (Welt)Trampert (konkret)Gärtner (Titanic) und das Simon-Wiesenthal-Centre sind wahrscheinlich von Augstein selbst inszeniert worden, denn er hat ganz offenkundig den größten Nutzen von dieser Kampagne. Und was man mit dem Geld, das Augstein als Verleger zusammenrafft, so alles Continue reading »