Mrz 082015
 

Je nun. Schaun wir uns also Til Schweiger und seine Puller-ab!-Fanboys etwas genauer an. So tief kann man sinken. Doch daß dieser Todenhöfer der Unpolitischen es vermag, hier dennoch zum Gegenstand der Betrachtung zu werden, liegt daran, daß alles politisch ist, auch das Unpolitische. Der Gegenstand ist durch und durch ekelhaft, und genau meint hier daher tatsächlich: genau, nicht ausgiebig. Ich habe keine Lust, die Zeugnisse der Unvernunft auch noch zu dokumentieren. Jeder kann selbst die Facebookprofile ruchbarer Verbalvigilanten besuchen, wie eben Schweiger, Hans Sarpei oder Jan Leyk, von deren Existenz man leider & gottseidank außerhalb solcher Zusammenhänge niemals Zeichen erhält – Schweiger macht Filme mit Dieter Hallervorden, Sarpei hat für Schalke gespielt, und von Leyk weiß ich nicht einmal, ob es ihn überhaupt gibt. Jeder kann sich zugleich auch vom Geschrei ihrer Anhänger ein vitales Bild machen. Ich will demnach nicht über Edathy reden, zu dem mir bei allem auch hier berechtigten Ekel nun wirklich nichts Mitteilenswertes einfällt. Es geht nicht um ihn, die Kinder oder die bundesrepublikanische Rechtspflege, es geht mir nicht einmal um Schweiger selbst, sondern allein um das, was sich in den volkstümlichen Reaktionen auf den Fall des Edathy zum Ausdruck bringt. Wer schreit da, und was schreit da?

Sofort fällt auf, daß die große Mehrheit derer, die nach Abschiebung, lebenslanger Haft, Todesstrafe, Kastration oder simpel körperlicher Gewalt rufen, Männer sind. Es finden sich auch einige Frauen in der Menge der Empörten, aber weder in der Breite noch in der Spitze halten sie mit. Das ist insofern bemerkenswert, Continue reading »

Nov 132014
 

Zur durch und durch hässlichen Anatomie des Kunden

Wer in den zurückliegenden Wochen Bahn gefahren ist, in die üblichen Schmierblätter geblickt oder sonstwie verrückte Dinge getan hat, um mit der Erlebniswelt jener fleischgewordenen Fiktion namens Ottonormalverbraucher in Kontakt zu kommen, mochte sehen, was nach dem kurzzeitigen Hoch des WM-Siegs und der sich anschließend mächtig zurückmeldenden Spaltung durch die Ukrainekrise die deutsche Volksgemeinschaft ein weiteres Mal zu einen imstande ist. Lokführer nämlich. Continue reading »

Jul 302014
 

Niemand ist friedlich. Man kann im Sittlichen nichts tun, erwägen oder unterlassen, das nicht ihm, ihm oder dem da auf die Nerven fallen wird. Schon dadurch, daß wir sind, beleidigen wir, weil jede Haltung, die man irgend einnehmen kann, ihr Gegenteil und damit ihre unversöhnlichen Feinde hat. Den wahrhaft Durchgeknallten erkennt man daran, daß er im besten Glauben betont, wie friedlich er ist. Er tut das unablässig und besonders gern vor dem je nächsten Wutausbruch. Das zwanghafte Versichern, bei all dem Gekeile dennoch den Frieden im Herzen zu tragen, hat was von prospektiver Selbstentlastung. Man betont, wie man wäre, wenn nichts wäre. Man ist der friedlichste Mensch der Welt, solange man außer der Welt ist. Continue reading »

Jun 112014
 

Alle Sommer gerader Jahre habe ich viel durchzustehen. Mannschaften, die schlechten Fußball spielen und trotzdem gewinnen, WM-Songs, Reinhold Beckmann, vornehmlich aber jene nationale Penetranz, von der man allenthalben angesprungen, mitgerissen und ungefragt fraternisiert wird. Im sogenannten Partynationalismus kommen zwei Momente des Widerwärtigen zusammen. Einmal der schnöde Nationalismus, zum anderen das Volkstümliche, zwanghaft Gutgelaunte, das sommerliche Du. Dem Volksfest kann man fernbleiben, es macht nur Krach und Müll. Es ist ein bißchen anmaßend, aber es unterstellt keine übergreifende Eingemeindung. Es ist unpolitisch.

Das Fußballvolksfest ist mehr. Es gibt keine würdevolle Weise, eine Fahne zu tragen. Das Ausstellen nationaler Zeichen ist von jeher die Kennung derer, die, was sie nicht in sich haben, neben oder über sich suchen. Im Vereinsfußball bedeutet ein Symbol wenigstens nichts anderes als eben den Verein, zu dem man hält. Im nationalen Fußball Continue reading »

Mrz 152014
 

Die ständische Subjektivität des Steuerzahlers

»Ich bin aber kein Sozialschmarotzer, ich habe fünf Millionen an soziale Einrichtungen gegeben, 50 Millionen Steuern gezahlt. Ich will damit nicht angeben, ich will nur reinen Tisch machen.«

Manche wollen so manches nicht und tun es dann doch. Ich zum Beispiel will über Uli Hoeneß nicht breit werden, und das wäre auch nicht nötig, ginge es nur um diesen Gerichtsprozess. Der ist durch, mit einem gerechten Urteil, gegen das es, da die Gesetzlage eindeutig ist, nichts vorzubringen gibt. Zudem darf man beruhigt sein, denn der Ausnahmezustand ist vorerst abgewendet. Continue reading »

Feb 032014
 

Die Debatte um Markus Lanz, die mich schon (hier & hier) beschäftigt hat, ist ziemlich schnell zur Übersprungshandlung geraten. Es gab eine Chance, an ihr Bedeutendes abzuhandeln. Man hätte reden können über den vom Moderator zur Schau gestellten aggressiven Konformismus, der – wie weiland, als man die vaterländische Frage noch offen stellte – Sahra Wagenknecht ein Bekenntnis zu Europa abverlangte. Eine Auskunft ungefähr so sinnvoll wie: Ich bekenne mich zum Winter; und ganz offenkundig getragen von einer edel-simplen Auffassung des abendländischen Kulturerbes, das doch in Wahrheit Continue reading »

Jan 312014
 

Man weiß, daß die Talsohle einer Debatte erreicht ist, wenn Josef Joffe sich an ihr beteiligt. Dieser arme, alte und dennoch stets ambitionierte Mann, dessen Texten anzumerken ist, daß er mit jeder Formulierung gekämpft hat, liegt immer falsch, selbst dann, wenn er, wie weiland in der Angelegenheit um Grass, versehentlich auf der richtigen Seite steht. Aber meist steht er auf der falschen Seite, weil er ein Drei-Groschen-Junge des bundesdeutschen Spätkapitalismus ist, der die Drei-Groschen-Märchen dieser Gesellschaft tatsächlich glaubt. Die dadurch entstehende Kluft zwischen ihm (Joffe) und den Tatsachen muß logischerweise überbrückt werden, und da Josef Joffe nie was einfällt, fallen ihm meistens doch die Nazis ein. Continue reading »

Sep 252013
 

Juli Zeh, das Ich & die Wiederkehr des deutschen Imperialismus

»Wieso scheint das kaum einen zu interessieren?«, fragt anlässlich des NSA-Skandals die Frankfurter Rundschau eine Schriftstellerin namens Juli Zeh.[i]

Es ist doch gut, dass es Zeitungen gibt, die solche Fragen stellen, denn wahrscheinlich ist die NSA das am wenigsten behandelte Thema dieses Jahres – gleich nach dem Nahostkonflikt und der Bundestagswahl. Und es ist gut, dass es Menschen gibt, die sich der Beantwortung solcher Fragen stellen. Rauskriegen, was der Grund für einen vorliegenden Zustand ist, kann jeder Idiot. Die hohe Schule ist, nach den Gründen für Zustände zu fragen, die nicht vorliegen. Und was nun, Frau Zeh, ist der Grund, aus dem der NSA-Skandal keine Sau aufregt? Continue reading »

Aug 102013
 

Georg Diez begründet eine gute Entscheidung mit einem weniger guten Text. Ich hatte Mühe, wach zu bleiben; zudem ist seine Prämisse erkennbar falsch:

»Denn was sollen Wahlen in einem System, das nur noch als Schrumpfform der Demokratie zu erkennen ist?«

Jede Wahl, jede Form demokratischen Betriebs ist in sich paradox und läuft zwingend auf die eigene Auflösung hinzu. Und das nicht nur dort, wo es an hervorragenden Politikern fehlt, sondern gerade auch in den scheinbaren Sternstunden der Demokratie. Man liest Thukydides und sieht, daß Perikles der erste Bonapartist der Weltgeschichte gewesen ist. Und genau, weil er das war, lief der Laden. Die Demokratie muß sich Continue reading »

Jul 042013
 

Die Romantik, jenes wildwuchernde Gewächs, das das Denken befällt und einen Zustand scheinbarer Aktivität bewirkt, der zu nichts führt und dennoch schrecklich anstrengend ist – nicht fruchtbar, aber furchtbar –, diese Romantik hat viele Gesichter. Sie gehört nicht einer politischen Richtung allein, sie hat an allen teil. (An manchen ist sie die Hauptsache, bei anderen unvermeidliche Begleiterscheinung.) Es gibt nie nur eine romantische Antwort auf die Weltlage.

Der Romantiker liebt es, sich vorzustellen, er sei der Gute, und da er – wie auch sonst keiner auf der Welt – nicht durchweg gut sein kann, braucht er konsensfähige Negativobjekte, gegen die er sich erhaben machen kann. Wer immer es sei: Banker, Sozialschmarotzer, Umweltschützer, Israel, USA, China, die GEMA, das staatliche TV, Dieter Graumann, Margot Käßmann, kriminelle Jugendliche, Natascha Kampusch oder oder oder.

Die NSA ist eine Organisation, an der nichts auszusetzen ist. Sie macht einen ordentlichen Job. Ich billige Continue reading »

Jun 182013
 

Sie ist die Sahra Wagenknecht der Springerjugend. Eine als Stil-Ikone gehandelte Durchschnittspropagandistin, die den Jargon der ihr übergeordneten Bewegung flüssig genug beherrscht, um deren Wortführerin zu sein. Doch weil sie einmal so fleißig war, eine geistig verwirrte Frau zu stalken, deren Auskommen auf der Lebenslüge beruht, sie sei Lyrikerin, darf sie jetzt regelmäßig auf Broders Toilette publizieren.

Man lese ruhig einmal ihre Texte. So klingt es, wenn Ambitioniertheit auf Unfähigkeit trifft. Das sprachliche Unvermögen (»meine Irritation wurzelt eine Ebene tiefer« usw.) sei geschenkt, da nun wirklich niemand in dieser Hinsicht etwas von ihr erwartet. Erklärlich immerhin auch die Abwesenheit von wenigstens etwas Continue reading »

Apr 102013
 

Indeed, Alan Posener, she was a great revolutionary. A great counter revolutionary.

Dumm an Facebook ist, daß man immer viel mehr mitbekommt, als man mitbekommen will. Es war zu erwarten, daß die Fellows der neokonservativ-neoliberal-neorechten Neoneoneo-Bewegung im Fall Thatcher ganz besonders ihre Chance wittern, das zu tun, was sie immer tun wollen: sich mutig gegen den (wenigstens in ihren Köpfen bestehenden) mächtigen Konsens der Unmächtigen stellen, im Gewand der Rebellen das sagen, was ohnehin dauernd gesagt wird, ohne daß es den geringsten Mut erfordert, da es die etablierten Verhältnisse nicht angreift, sondern stützt, und niemand befürchten muß aus derartigen Rebellionshandlungen in irgendwelche Nachteile zu geraten. Es war also zu erwarten, daß sie sich tief vor Maggies Lebensleistung verbeugen und sich, Wutbürger von oben, die sie einmal sind, entrüstet über jeden Witz zeigen werden, der über den Tod dieser bösartigen alten Frau gemacht wird, die ganz unabhängig von dem, was der Kapitalismus ohnehin schon anrichtet, verantwortlich ist für einen beispiellosen Prozeß der Verarmung, Isolierung und Dämonisierung nicht unbeträchtlicher Teile der britischen Gesellschaft.

Continue reading »

Jan 202013
 

»Die zurückliegenden Wochen haben bewiesen: Jakob Augstein führt ganz Deutschland am Gängelband und gefährdet den ohnehin brüchigen Landesfrieden. Wenn er anruft, beugt das Feuilleton seinen Willen. Die Angriffe durch Broder (Welt)Trampert (konkret)Gärtner (Titanic) und das Simon-Wiesenthal-Centre sind wahrscheinlich von Augstein selbst inszeniert worden, denn er hat ganz offenkundig den größten Nutzen von dieser Kampagne. Und was man mit dem Geld, das Augstein als Verleger zusammenrafft, so alles Continue reading »

Nov 292012
 

Kriegszeit im Nahen Osten ist Zeit für Gefühle. Hier fast noch mehr als daselbst. Europa ist ein Irrenhaus, worin man den Nahostkonflikt nicht einfach behandelt, sondern an ihm nachweist, wer man ist. Worin man sich nicht einfach den Kopf über seine Lösung zerbricht, sondern ihn darin als Gradmesser des Weltfriedens gleichsam neu erfindet. Das ist so krank, wie es sich anhört. Wofern nicht bereits das übermäßige Interesse an diesem Komplex verdächtig sein sollte, mag doch wenigstens die Zwanghaftigkeit, mit der die Bekenntnisse vorgebracht werden, nachdenklich machen. Bekenntnisse kosten, anders als Argumente, gar nichts. Was keinen Preis hat, hat vermutlich auch keinen Wert. Die populärste Form, Israel und seine Lage zu kommentieren, ist das Bekenntnis. Es fällt, zugegeben, einigermaßen schwer, zwischen IDF-Kitsch und Palästina-Folklore etwas Haltung zu bewahren. Das Ausstellen von Wimpeln und Symbolen ist – wie das Herumziehen in Gruppen – ein Zeichen intellektueller Unsicherheit, obgleich sich auch Brüder von der ausgeschlafenen Fraktion gelegentlich dazu hinreißen lassen, eine Fahne zu schwenken, und sei es nur – wie sie sich selbst versichernd einreden – zur Provokation. But stupid is as stupid does. Continue reading »