Aug. 182014
 

Gelegentlich trifft man dann doch einen, der sich genauso aufführt, wie passionierte Antizionisten es von ihren Feinden insgesamt behaupten. Jennifer Nathalie Pyka nämlich, unbeirrbare Aktivistin der Springerjugend, die ihren Blog unter dem aufschlußreichen Titel »Ahnungslosigkeit trifft Größenwahn« betreibt, hat eine nicht minder engagierte Anna Neubert ausfindig gemacht, die ihr Leben damit verbringt, Juden zum Christentum zu bekehren. Das ist in der Tat ein merkwürdiges Hobby, und jemand, der ihm nachgeht, hätte kaum Anspruch, zum Kreise der Ungestörten gezählt zu werden. Was Pyka dazu einfällt, ist allerdings dies: Continue reading »

Aug. 152014
 

Der Pazifismus und die Wirklichkeit

Den Waffennarr unterscheidet vom Friedensaktivisten, dass er keine moralischen Vorwände benötigt, militärisches Material im Zustand der Erregung zu besichtigen. Man wundert sich durchaus, was den meisten Kriegskritikern bereits eine Nachricht ist. Das Bild eines toten Kindes, das Video einer einschlagenden Rakete, das Interview eines Dirigenten, der feierlich das Ende aller Kämpfe fordert, die Mitteilung, dass im Krieg auch Zivilisten leiden, die Forderung, dass die Gewaltspirale gebrochen werden müsse. Wie wenig bliebe von all jenen umlaufenden Artikeln, Interviews, Reportagen, Podcasts, Blogeinträgen und Social-Network-Kommentaren, zöge man das simple Bekenntnis zum Frieden und das blanke Bekunden des Entsetzens ab. Wie wenig: das stattlich bestückte Areal eines Sammlers von Militaria. Die Logik lässt uns hier nur zwei Auswege. Sind die Friedensbewegten von morbider Faszination am Krieg getrieben, oder sollten sie am Ende doch sein, was wir nie zu denken wagten: sehr einfältige Menschen? Continue reading »

Aug. 052014
 

Es war der 16. Februar 2011. Koscielny fängt einen diagonalen Paß von Messi an der Strafraumgrenze ab, legt ihn, während Barca nicht energisch genug auf den Umschaltmoment reagiert, nach außen auf Bendtner, der, für Walcott ins Spiel gekommen, weit zurückgezogen steht. Bendtner bringt sich mit wenigen Schritten zu den zentral stehenden Wilshere und Fabregas in eine Dreiecksstellung, die vier kompakt stehende Barcaspieler einschließt, die nun umspielt werden können, gibt einen schnellen horizontalen Paß auf Wilshere, der den Ball mit einer Berührung noch schneller und vertikal auf Fabregas weiterleitet. Der nimmt den Ball in einer Bewegung um 180° mit und spielt einen flachen Paß nach vorn auf den 30 bis 40 Meter vorausgelaufenen Nasri. Die Abwehr Barcelonas ist in nicht mehr als fünf Sekunden überbrückt, ohne daß der Ball den Boden verlassen hätte; lediglich eine Dreiereihe kann Nasri folgen, der keine Mühe hat, in deren Rücken zu spielen, wo Ashavin heranläuft und mit einem ansehnlich gezirkelten Schuß zum 2:1 abschließt. Solche Szenen Continue reading »

Juli 312014
 

Er sitzt und spricht. Fernsehkritik

Der Todenhöfer Jürgen, beständiger Gast in deutschen Talkshows, weil man ja nicht nur Experten einladen kann, sondern auch einen braucht, der das Sentiment bedient und den Authentizitätsfimmel der Marke »Ich war selbst da, habe es mit eigenen Augen gesehen« (und wenn ich ein wenig übertreibe, dann nicht, um Sie zu manipulieren, sondern um den armen Menschen dort eine Hilfe zu sein), der reaktionäre Einpeitscher[1] also, der sich in jeder Sekunde seiner weltpolitischen Bedeutung bewusst und trotzdem immer bescheiden geblieben ist, hatte gestern bei Anne Will[2] einen Traum, wie Gandhi, oder war es Martin Luther King? Mandela? Pol Pot? Egal. 1,8 Millionen Menschen gehen friedlich zur Grenze, ohne Waffen, mit Fahnen, auf denen »Freiheit« steht.

Und was dann? Topfschlagen? Gruppensex? Gemeinsame Koranlektüre? Continue reading »

Juli 302014
 

Niemand ist friedlich. Man kann im Sittlichen nichts tun, erwägen oder unterlassen, das nicht ihm, ihm oder dem da auf die Nerven fallen wird. Schon dadurch, daß wir sind, beleidigen wir, weil jede Haltung, die man irgend einnehmen kann, ihr Gegenteil und damit ihre unversöhnlichen Feinde hat. Den wahrhaft Durchgeknallten erkennt man daran, daß er im besten Glauben betont, wie friedlich er ist. Er tut das unablässig und besonders gern vor dem je nächsten Wutausbruch. Das zwanghafte Versichern, bei all dem Gekeile dennoch den Frieden im Herzen zu tragen, hat was von prospektiver Selbstentlastung. Man betont, wie man wäre, wenn nichts wäre. Man ist der friedlichste Mensch der Welt, solange man außer der Welt ist. Continue reading »

Juli 252014
 

 

erstes Kapitel aus: Odysseus wär zu Haus geblieben. Schutzschrift mit Anhang, Berlin (Aurora) 2015. – Erstmals öffentlich gelesen am 15. Juli 2014 in Bonn, Referat für Politische Bildung, Asta der Uni Bonn.

 

Ein Hessel Buntes

Die Welt in Steno

Thales im Brunnen

The Wizard in Front of the Curtain

Die Sehnsucht des Seemanns

Ein Beitrag zur unkritischen Theorie

24. Gesang

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Juli 162014
 

Bei Fußballkommentatoren werde ich immer traurig. Es gibt wohl keinen Berufsstand, dessen Vertreter so durchgehend Ablehnung erfahren. Sogar Investmentbankern, sogar Anwälten, sogar den jeweiligen Vorsitzenden der Grünen wird wenigstens punktuell etwas Unterstützung zuteil.

Natürlich sind sie alle Schmocks. Und natürlich wird man sich darauf einigen können, daß es auch in diesem Berufsstand ein Besser und Schlechter gibt. Daß Bela Rethy vielleicht doch etwas erträglicher ist als der zwanghaft parteiliche Tom Bartels. Oder daß die Inkompetenz eines Thomas Herrmann unerreicht ist, weshalb dieser Berufshysteriker völlig zu Recht beim Spartensender Sport1 sein Dasein fristet. Oder daß man, vor die Wahl zwischen Continue reading »

Juli 132014
 

Menschen, die aus der sicheren Distanz mitteleuropäischer Lebensumstände nicht mit Ratschlägen geizen, Israel Wege aufzuzeigen, wie es aus seinem Schlamassel wieder herauskommt, sind ja durchaus nicht nur ein Ärgernis. Manchmal sind sie sehr unterhaltsam. Wenn man über die Jahre verfolgt, wie sie bei jeder der zyklisch auftretenden Eskalationen um Gaza, dem Staat Israel nun doch das letzte Verständnis aufkündigen, ganz so, als hätten sie je welches aufgebracht, stellt sich ein ähnlicher Effekt ein wie bei der Lektüre des komischen Dialogs »Brokatjacken« von Max Goldt. Selbstgerechte Wutausbrüche, vorgetragen in einer Art Selbstgespräch mit der Rhetorik eines Goldfischs und dem dazu passenden Langzeitgedächtnis. Continue reading »

Juni 112014
 

Alle Sommer gerader Jahre habe ich viel durchzustehen. Mannschaften, die schlechten Fußball spielen und trotzdem gewinnen, WM-Songs, Reinhold Beckmann, vornehmlich aber jene nationale Penetranz, von der man allenthalben angesprungen, mitgerissen und ungefragt fraternisiert wird. Im sogenannten Partynationalismus kommen zwei Momente des Widerwärtigen zusammen. Einmal der schnöde Nationalismus, zum anderen das Volkstümliche, zwanghaft Gutgelaunte, das sommerliche Du. Dem Volksfest kann man fernbleiben, es macht nur Krach und Müll. Es ist ein bißchen anmaßend, aber es unterstellt keine übergreifende Eingemeindung. Es ist unpolitisch.

Das Fußballvolksfest ist mehr. Es gibt keine würdevolle Weise, eine Fahne zu tragen. Das Ausstellen nationaler Zeichen ist von jeher die Kennung derer, die, was sie nicht in sich haben, neben oder über sich suchen. Im Vereinsfußball bedeutet ein Symbol wenigstens nichts anderes als eben den Verein, zu dem man hält. Im nationalen Fußball Continue reading »

Mai 302014
 

Elsässer, glaubt man Elsässer, hat vor dem Münchner Landgericht gegen Jutta Ditfurths Behauptung, er sei ein Antisemit, eine Klage durchgesetzt. Tatsächlich ist, was er erreicht hat, eine einstweilige Verfügung; der eigentliche Prozeß steht noch aus, was Elsässer nicht daran hindert, sich als Sieger zu präsentieren.1 Damit, so fügt er hinzu, sei jeder gewarnt, der es Jutta Ditfurth gleichzutun gedenke. Es ist also ratsam, auf die Behauptung zu verzichten, daß Elsässer ein Antisemit sei. Woraus allerdings nicht folgt, daß man einfach das Gegenteil behaupten müsse. Auch das wäre ja eine Unterstellung, die von einem Gericht geprüft werden könnte und die man also nicht leichtfertig in die Welt blasen sollte. Ungern stünde man Continue reading »

  1. »Elsässer siegt mit Verleumdungsklage gegen Ditfurth«, Meldung vom 28. Mai auf Elsässers Homepage []
Mai 012014
 

Wer die Bezeichnung »Tag der Arbeit« verwendet, sollte wissen, was er da tut. Der 1. Mai wurde Ende des 19. Jahrhunderts, ausgehend von Generalstreiks in den USA, als »Kampftag der Arbeiterklasse« begründet. Damit war gesagt, dass es nicht um den abstrakten Begriff der Arbeit geht, dem ja schon Marx immerhin den historisch-konkreten Begriff der Produktion entgegengesetzt hat, sondern um die Menschen, die dahinter stehen. Um deren Bedürfnisse und Rechte. Etwa das auf Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf 8 Stunden und angemessene Bezahlung. Nicht um die Arbeit also, sondern um den Schutz des Menschen vor der Arbeit. Continue reading »

März 152014
 

Die ständische Subjektivität des Steuerzahlers

»Ich bin aber kein Sozialschmarotzer, ich habe fünf Millionen an soziale Einrichtungen gegeben, 50 Millionen Steuern gezahlt. Ich will damit nicht angeben, ich will nur reinen Tisch machen.«

Manche wollen so manches nicht und tun es dann doch. Ich zum Beispiel will über Uli Hoeneß nicht breit werden, und das wäre auch nicht nötig, ginge es nur um diesen Gerichtsprozess. Der ist durch, mit einem gerechten Urteil, gegen das es, da die Gesetzlage eindeutig ist, nichts vorzubringen gibt. Zudem darf man beruhigt sein, denn der Ausnahmezustand ist vorerst abgewendet. Continue reading »

Feb. 172014
 

Da nun zu allem Überfluß auch noch das nächste Sarrazin-Buch dräut, in dem sich der Autor dem linken Meinungskartell widmet und in einer breit beworbenen und mit Sicherheit medienpräsenten Erstauflage von 100.000 Exemplaren darüber ausläßt, daß man in Deutschland seine Meinung nicht sagen darf, ist die Gelegenheit für eine kleine Analogie schon aus Gründen der Selbstverteidigung ergreifenswert. Selbstverteidigung gegen einen Politclown, der sich als »Querdenker« anpreisen läßt, »der sich nicht scheut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen«, und Sätze schreibt wie: »Wer bestimmt, was gesagt werden darf – und worüber geschwiegen werden muss?«

Der notorische Provokateur, der zum Medienbetrieb gehört wie der verhaltensgestörte Kristalltrinker zur Neuköllner Eckkneipe, ist für gewöhnlich bauernschlau. Er ahnt, was er tut, könnte es aber nicht auf den Begriff bringen. Er ist kein Meisterdenker, besitzt dafür jedoch instinktsicher eine Art Erfahrungswissen. Daß er selbst Continue reading »

Feb. 142014
 

Homophobie und Naturrecht

Matthias Matussek hat öffentlich eingestanden, dass er krank ist.[1] Seine Diagnose: Homophobie. Behandeln lassen will er sich einstweilen nicht und erweckt vielmehr den Anschein, als hielte er sein Geständnis für einen Akt der Zivilcourage. Wie alle, deren Treiben um der Pose willen ist, verrät er dabei mehr, als er verraten will. Sein Text ist zunächst ein klares Bekenntnis, hernach gezielte Provokation des Betriebs, zugleich begrifflicher Wirrwarr und schließlich unkontrollierte Entladung von Abscheu und Vorurteilen. Es ist ekelhaft, aber kaum überraschend. Was will man auch erwarten von einem erwachsenen, nahezu alten Menschen, der von jener Weltgestalt, die Bur Malottke immerhin noch »dieses höhere Wesen, das wir verehren« genannt hat, stets als dem »lieben Gott« spricht, ganz so, als komme er eben mit frisch hochgezogenen Kniekehlenwischern aus der Sakristei, den tief befriedigten Blick des Vikars im Nacken. Continue reading »

Feb. 052014
 

Klassik, durchaus ein historisches Phänomen, ist zugleich eine Art, die Welt zu begreifen, und daher über ihr Vorhandensein hinaus maßgeblich. Es bedarf nicht notwendig einer klassischen Lage oder der Herstellung klassischer Kunstwerke, um die Idee der Klassik, in Gestalt des klassischen Denkens nämlich, zu erhalten. Klassik zeugt sich fort im Urteil, was ja auch eine Art des Betreibens ist.

Die Elemente der Klassik sind bekannt: Affirmation, Aufhebung der Tradition, Idealismus und Vermittlung. Das klassische Denken ist affirmativ in dem Sinne, daß es nicht bei der Verneinung des Üblen stehenbleibt, sondern Negationen als bestimmte setzt, und nur in der konkreten Entgegensetzung Zufriedenheit erhält. Es bricht daher auf eine Weise mit der Tradition, die zugleich eine Art Fortsetzung derselben ist. Sein Zugriff auf die Welt ist spekulativ, und es glaubt an die Möglichkeit, mittels Continue reading »